LEXpress Sockelgeschosse

1. Vorbemerkungen

Die Abgrenzung der Untergeschosse von den Vollgeschossen ist ein gängiges Problem, welches wir bereits im Januar 2020 in einem LEXpress thematisiert haben (Nr. 23). Im vorliegenden LEXpress befassen wir uns mit der Abgrenzung der Untergeschosse von unterirdischen Bauten, Unterniveaubauten und
Hauptbauten bzw. Klein- und Anbauten. Damit die nachstehenden Ausführungen besser fassbar sind, verwenden wir hilfsweise den Begriff des Sockelgeschosses: Dabei handelt es sich um das Geschoss, das im Allgemeinen unter dem untersten Vollgeschoss liegt.

2. Untergeschosse

Sockelgeschosse sind nur dann Untergeschosse, wenn sie die Voraussetzungen von §23 BauV (Fassadenflucht über Fassadenlinie, Abgrabung) erfüllen. In der horizontalen Ausdehnung müssen sich Untergeschosse nicht auf den Grundriss der (darüberliegenden) Vollgeschosse (Fassadenflucht) beschränken. Sie können kleiner oder grösser sein. Sind sie grösser, handelt es sich nur soweit um Untergeschosse im Rechtssinn, als sie nicht mehr als das «zulässige Mass (Mass a) für vorspringende Gebäudeteile» über die Fassadenflucht hinausragen (BauV-Anhang 2, Figur 6.2). Vorspringende Gebäudeteile im Rechtssinn ragen höchstens 1,50 m über die Fassadenflucht (Mass a) hinaus (§21 Abs.1 BauV). Somit sind Sockelgeschosse nur insoweit rechtlich Untergeschosse, als sie nicht mehr als 1,50m über die Fassadenflucht (zum Begriff siehe BauV-Anhang 1, Ziff. 3.1) hinausragen. Die Teile des Sockelgeschosses die mehr als 1,50m über die Fassadenflucht hinausragen, gehören rechtlich nicht zum Untergeschoss. Es handelt sich um unterirdische Bauten, Unterniveaubauten, Hauptbauten oder Anbauten.

Untergeschosse im Rechtssinn müssen von der restlichen Baute (unterirdische Baute, Unterniveaubaute, Hauptbaute oder Anbaute) räumlich nicht abgetrennt sein. Das leuchtet bei Tiefgaragen ohne Weiteres ein, gilt aber allgemein.

Rechtlich sind die Untergeschosse von den Vollgeschossen zu unterscheiden. Die Voraussetzungen für die Untergeschossqualität legt §23 BauV fest (Fassadenflucht über Fassadenlinie, Abgrabung). Massgebend ist demnach nur das Untergeschoss im Rechtsinn, nicht das Sockelgeschoss, das diese Voraussetzungen erfüllen muss. Ob das Durchschnittsmass von 80cm über der Fassadenlinie und das Mass der Abgrabungen eingehalten ist, bestimmt sich nur nach dem Untergeschoss im Rechtssinn.

3. Abgrenzung Untergeschosse zu unterirdischen Bauten, Unterniveaubauten und anderen Bauten (Hauptbauten, Klein- und Anbauten)

Dass rechtlich nur als Untergeschoss gilt, was nicht mehr als 1,50m über die Fassadenflucht hinausragt, bedeutet nicht, dass die Sockelgeschosse nicht mehr als 1,50m über die Fassadenflucht hinausgehen dürfen. Ab dem Mass a von 1,50 handelt es sich dann jedoch nicht mehr um Untergeschosse im
Rechtssinn, sondern um unterirdische Bauten oder Unterniveaubauten oder (gewöhnliche) Hauptbauten oder Klein- oder Anbauten.

3.1 Abgrenzung Untergeschosse zu unterirdischen Bauten

Unterirdische Bauten liegen vollständig unter dem natürlich gewachsenen Geländeverlauf (siehe BauV-Anhang 1, Ziff. 1.1) respektive unter dem tiefer gelegten Terrain. Sie sind also nicht sichtbar. Über dem gewachsenen Geländeverlauf respektive dem tiefer gelegten Terrain dürfen nur die Erschliessung sowie Geländer und Brüstungen sein (BauV-Anhang 1, Ziff. 2.4). Soweit diese Voraussetzungen erfüllt sind, gelten diejenigen Bauteile des Sockelgeschosses, welche mehr als 1,50m über die Fassadenflucht hinausragen, als unterirdische Bauten. Unterirdische Bauten müssen einen Grenzabstand von 50cm
einhalten (§20 Abs. 2 BauV).

3.2 Abgrenzung Untergeschosse zu Unterniveaubauten

Unterniveaubauten dürfen den natürlich gewachsenen Geländeverlauf (siehe BauV-Anhang 1, Ziff. 1.1) um höchstens 80 cm überragen (BauV-Anhang 1, Ziff. 2.5, i.V.m. §20 Abs.1 BauV). Diejenigen Bauteile des Sockelgeschosses, welche mehr als 1,50m über die Fassadenflucht hinausragen und den natürlich gewachsenen Geländeverlauf um höchstens 80cm überragen, qualifizieren demnach als Unterniveaubauten. Unterniveaubauten müssen einen Grenzabstand von 50cm einhalten (§20 Abs.2 BauV).

3.3 Abgrenzung Untergeschosse zu (gewöhnlichen) Hauptbauten

Erfüllen die Bauteile, welche rechtlich nicht als Untergeschoss gelten (siehe Ziff. 2 hier oben), die Voraussetzungen für unterirdische Bauten (siehe Ziff. 3.1 hier oben) oder Unterniveaubauten (siehe Ziff. 3.2 hier oben) nicht, gelten sie rechtlich als Hauptbauten (oder allenfalls als Anbauten; siehe Ziff. 3.4 hier
unten). Hauptbauten müssen die ordentlichen (kleinen und grossen) Grenzabstände (siehe §47 BauG) einhalten.

Solche Hauptbauten können die Geschossigkeit des projektierten Gebäudes beeinflussen: Das ist dann der Fall, wenn sie über dem massgebenden Terrain zusammengebaut sind (also eine gemeinsame Fassadenlinie bilden). Solche Bauten sind nur bewilligungsfähig, wenn die Gebäudelänge eingehalten
(siehe Ziff.4 hier unten) und das Gebäude in der Höhe oder in der Situation gestaffelt ist (BauV-Anhang 1, Ziff.6.1 Abs.2). Sind die beiden Hauptbauten über dem massgebenden Terrain nicht verbunden, müssen sie einzig die Vorschriften über den Gebäudeabstand einhalten (siehe Ziff. 5 hier unten).

3.4 Abgrenzung Untergeschosse zu Klein- oder Anbauten

Falls die Teile von Sockelgeschossen, die rechtlich nicht zum Untergeschoss gehören und die begrifflich keine unterirdischen Bauten und keine Unterniveaubauten sind, die Dimensionen gemäss §19 Abs.1 BauV einhalten, gelten sie nicht als (gewöhnliche) Hauptbauten, sondern als Anbauten (§19 BauV).
Kleinbauten können sie nicht sein, weil sie Teil des Sockelgeschosses und damit nicht freistehend sind. Anbauten sind sie, wenn sie sich an die Fassade der Hauptbaute anlehnen, von dieser aber durch eine Innenwand getrennt sind. Der Anbau muss als solcher deutlich erkennbar sein und, da er nicht
zum Bestandteil der Hauptbaute werden darf, beseitigt werden können, ohne dass die Hauptbaute dadurch konstruktiv verändert wird.

4. Gebäudelänge

Zu klären ist, ob Untergeschosse (siehe Ziff. 2 hier oben), unterirdische Bauten (siehe Ziff. 3.1 hier oben) und Unterniveaubauten (siehe Ziff. 3.2 hier oben) sowie Hauptbauten (siehe Ziff. 3.3 hier
oben) und Anbauten (siehe Ziff. 3.4 hier oben) einen Einfluss auf die Gebäudelänge haben. Die Gebäudelänge ist die längere Seite des flächenkleinsten Rechtecks, welches die projizierte Fassadenlinie umfasst (BauV-Anhang 1, Ziff. 4.1). Die Gebäudelänge ist also auf eine Fassadenlinie angewiesen. Daher sind unterirdische Bauten von vornherein nicht Teil einer Gebäudelänge. Wo das Sockelgeschoss keine Fassadenlinie bildet, endet die Gebäudelänge. Damit haben Untergeschosse, welche grösser sind
als das darüberliegende Vollgeschoss, und Unterniveaubauten, Hauptbauten und Anbauten, die über das gewachsene Terrain (Fassadenlinie) ragen, insoweit Auswirkungen auf die Gebäudelänge (oder Gebäudebreite, siehe BauV-Anhang 1, Ziff. 4.2), als sie eine durchgehende Fassadenlinie bilden.

5. Gebäudeabstand

Der Gebäudeabstand ist die Entfernung zwischen den projizierten Fassadenlinien zweier Gebäude (BauV-Anhang1, Ziff.7.2). Sowohl unterirdische Bauten (BauV-Anhang 1, Ziff.2.4) wie auch Unterniveaubauten (BauV-Anhang 1, Ziff. 2.5) gelten, wie natürlich auch Hauptbauten und Anbauten, als Gebäude (BauV-Anhang 1, Ziff. 2.1). Sie sind mit dem Hauptgebäude durch das Sockelgeschoss verbunden. Ausschlaggebend dafür, ob ein Gebäudeabstand einzuhalten ist, ist einzig der bauliche Zustand oberhalb
des massgebenden Terrains, denn nur diese Bauteile bilden eine Fassadenlinie. Daraus ergibt sich, dass es Projekte gibt, in welchen zwei Gebäude, die nicht durch Fassadenlinien verbunden sind, einen Gebäudeabstand einhalten müssen. Da sie im Allgemeinen auf demselben Grundstück zu stehen kommen, darf der Gebäudeabstand aber unter bestimmten Voraussetzungen reduziert oder aufgehoben werden (siehe § 27 Abs. 2 BauV).

6. Inkohärente Höhenvorschriften

Untergeschosse dürfen im Mittel nicht mehr als 80cm über die Fassadenlinie hinausragen (§23 Abs.1 BauV). Unterniveaubauten dürfen um höchsten 80 cm über das massgebende Terrain hinausragen (§20 Abs.1 BauV). Das kann im Übergang von einem Hauptgebäude zur Unterniveaubaute zu Problemen in der
Höhenlage führen in dem Sinne, dass es schwierig ist, das erlaubte Höhenmass für Unterniveaubauten einzuhalten.

VOSER RECHTSANWÄLTE

MLaw Jacqueline Alf

Dr. Peter Heer

Die Autorinnen und Autoren dieses Beitrags:

Dr. Peter
Heer
Rechtsanwalt, Fachanwalt SAV Bau- und Immobilienrecht
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p.heer@voser.ch
MLaw Jacqueline
Alf
Rechtsanwältin
+41 56 203 15 43
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