LEXPRESS Aktuelle Rechtsprechung im Bereich Arbeitsrecht

In dieser Ausgabe des LEXpress Zivilrecht wollen wir Ihnen einige aktuelle Gerichtsentscheide aus dem Bereich des Arbeitsrechts vorstellen.

Der erste Entscheid betrifft einen Fall, in welchem das Bundesgericht beurteilen musste, ob eine Arbeitgeberin ihre in der Schweiz arbeitende, aber im Ausland wohnhafte Arbeitnehmerin (Grenzgängerin) in Euro entlöhnen darf. Die zentrale Frage, ob eine solche Entlöhnung gegen das Diskriminierungsverbot des Freizügigkeitsabkommens der Schweiz mit der EU verstösst, hat das Bundesgericht in seinen Erwägungen allerdings offengelassen.

Im zweiten Entscheid setzte sich das Bundesgericht mit der Frage auseinander, ob die Parteien eines Arbeitsverhältnisses durch Abschluss eines neuen Arbeitsvertrags eine neue Probezeit vereinbaren können. Ausserdem stellte sich die Frage, ob eine schwangere Arbeitnehmerin ihre Schwangerschaft der Arbeitgeberin innert einer bestimmten Frist mitteilen muss, um sich nicht dem Vorwurf des Rechtsmissbrauchs auszusetzen.

Im dritten Entscheid hatte das Bundesgericht die fristlose Entlassung zu beurteilen, welche ein Arbeitgeber ausgesprochen hatte, weil sich der Arbeitnehmer nach Wiedererlangung einer teilweisen Arbeitsfähigkeit geweigert hatte, seine Arbeit wieder aufzunehmen.

Der vierte Entscheid beschäftigt sich schliesslich mit der Frage, wie weit die Parteien eines Arbeitsverhältnisses vertraglich von den gesetzlichen Bestimmungen zur Haftung des Arbeitnehmers für Vertragsverletzungen abweichen dürfen.

Wir hoffen, Ihr Interesse geweckt zu haben und wünschen Ihnen bei der Lektüre viel Spass.

1. Zulässigkeit einer Eurolohn-Vereinbarung mit Grenzgängern

Seit nunmehr bald zehn Jahren befindet sich die Europäische Währungsunion in einer Krise, welche gemeinhin als «Eurokrise» bezeichnet wird. Diese Eurokrise hatte unter anderem eine erhebliche Aufwertung des Schweizer Frankens (CHF) zur Folge. Am 1. Januar 2010 musste man für einen Euro (EUR) noch etwas mehr als CHF 1.48 bezahlen. Im September 2019 bewegte sich der Eurokurs nur noch im Bereich von CHF 1.09. Der Schweizer Franken hat sich damit gegenüber dem Euro um rund einen Drittel verteuert.

Die Frankenstärke gegenüber dem Euro stellt insbesondere Unternehmen, welche ihre Waren und Dienstleistungen in die Eurozone exportieren, vor grosse Herausforderungen. Für den Kunden im Euroraum haben sich ihre Güter um mehr als 30 % verteuert. Massive Auftragsrückgänge aus dem Ausland sind die Folge und gefährden einige Unternehmen ernsthaft in ihrer Existenz. Unter diesen Umständen erscheint es als verständlich, dass diese Unternehmen versuchen, ihre Kosten – insbesondere auch ihre Lohnkosten – so tief wie möglich zu halten.

Grenzgänger, welche in der Eurozone wohnen, aber in der Schweiz arbeiten und dafür in Schweizer Franken bezahlt werden, sind dabei verschiedenen Unternehmen als eigentliche Profiteure dieser speziellen wirtschaftlichen Konstellation erschienen. Die Kaufkraft dieser Arbeitnehmer an ihrem Wohnort ist mit der massiven Erstarkung des Schweizer Frankens stetig gestiegen. Deshalb hielten es einige Unternehmen für vertretbar, mit ihren Grenzgängern eine Entlöhnung in Euro statt wie bisher in Schweizer Franken zu vereinbaren.

Die Frage, ob eine solche Entlöhnung der Grenzgänger in Euro zulässig ist, während ihre in der Schweiz wohnhaften Arbeitskollegen in Schweizer Franken entlöhnt werden, war (und ist) in der Lehre umstritten. Kritiker einer solchen Lösung sehen darin einen Verstoss gegen das Diskriminierungsverbot des Abkommens vom 21. Juni 1999 zwischen der Schweizerischen Eidgenossenschaft einerseits und der Europäischen Gemeinschaft und ihren Mitgliedstaaten andererseits über die Freizügigkeit (Freizügigkeitsabkommen, FZA).

Zu Beginn dieses Jahres hat sich nun das Bundesgericht erstmals mit der Frage befasst. In seinem Entscheid vom 15. Januar 2019 hat es unter der Verfahrensnummer 4A_230/2018 die Berufung einer Arbeitnehmerin auf das Diskriminierungsverbot des FZA als rechtsmissbräuchlich beurteilt und dabei die grundsätzliche Frage offengelassen, ob überhaupt eine Diskriminierung der Grenzgänger vorlag oder nicht.

Dem Urteil liegt folgender Sachverhalt zu Grunde:

Die Arbeitnehmerin (Klägerin und später Beschwerdegegnerin) hat Wohnsitz in Deutschland und stand ab dem 1. Juli 2001 in einem Arbeitsverhältnis mit der Arbeitgeberin (Beklagte und später Beschwerdeführerin), einer GmbH mit Sitz in Deutschland. Ihre Arbeit verrichtete die Arbeitnehmerin als Grenzgängerin am Schweizer Standort der Arbeitgeberin in Schaffhausen. Bis Ende 2011 erhielt die Arbeitnehmerin ein monatliches Bruttogehalt von zuletzt CHF 5’257.75 zuzüglich Bonus und Schichtzulagen (variabel).

Im Dezember 2011 orientierte die Arbeitgeberin ihre Mitarbeitenden über die – als Folge von Eurokrise und Frankenstärke – schwierige Lage des Produktionsstandortes Schaffhausen und unterbreitete der Arbeitnehmervertretung den Vorschlag, die Löhne der Grenzgänger inskünftig mit einem Umrechnungsfaktor von 1.39 – entsprechend dem ungefähren Durchschnittskurs des Jahres 2010 – in Euro auszubezahlen. Gegenüber Mitarbeitenden, die keine einvernehmliche Vertragsänderung unterzeichnen, kündigte die Arbeitgeberin eine Änderungskündigung an.

Die Arbeitnehmerin stimmte in der Folge einer einvernehmlichen Vertragsänderung zu. Dementsprechend erhielt sie (auf der Grundlage des verwendeten Umrechnungskurses von CHF 1.39 /EUR) ab Januar 2012 ein monatliches Bruttogehalt von EUR 3’820.08, was gemäss tatsächlichem Wechselkurs CHF 4’642.55 entsprach. Hinzu kamen variable Zahlungen (Zulagen und Bonus). Rund 70 % des Totalbetrages bezahlte die Arbeitgeberin in Euro aus, die restlichen knapp 30% in Schweizer Franken (verwendeter Wechselkurs: EUR 1.00 = CHF 1.2153).

Das Arbeitsverhältnis der Parteien endete zufolge Kündigung der Arbeitgeberin am 30. November 2014. In der Folge verlangte die Arbeitnehmerin von der Arbeitgeberin die Nachzahlung der Differenz zwischen dem ursprünglichen Lohn und dem Lohn nach der Vertragsänderung im Betrag von CHF 20’475.00.

Das erstinstanzlich zuständige Kantonsgericht Schaffhausen wies die Klage der Arbeitnehmerin noch ab. Die darauf von der Arbeitnehmerin angerufene zweite Instanz, das Obergericht des Kantons Schaffhausen, hob indessen das erstinstanzliche Urteil auf und verpflichtete die Arbeitgeberin, der Arbeitnehmerin CHF 20’475.00 (brutto) zuzüglich Verzugszins zu bezahlen.

Das Obergericht hielt zwar fest, dass ein Lohn in der Schweiz grundsätzlich auch in Euro ausbezahlt werden könne und dass auch eine einvernehmliche Reduktion des Lohns gemäss dem Schweizerischen Obligationenrecht zulässig sei. Ebenso sah das Obergericht das allgemeine verfassungsrechtliche Diskriminierungsverbot von Art. 8 Abs. 2 der Bundesverfassung (BV) nicht verletzt, weil dieses auf das Verhältnis zwischen Privaten nicht direkt anwendbar sei. Hingegen lag nach der Auffassung des Obergerichts eine indirekte Diskriminierung der im Ausland wohnhaften Grenzgänger vor, welche gegen das FZA verstosse. Die tieferen Lebenshaltungskosten im Ausland vermochten in den Augen des Obergerichts eine unterschiedliche Behandlung von Grenzgängern und in der Schweiz wohnhaften Arbeitnehmenden nicht zu rechtfertigen.

Das Bundesgericht hat das Urteil des Obergerichts des Kantons Schaffhausen nach einer öffentlichen Urteilsberatung in Gutheissung einer von der Arbeitgeberin erhobenen Beschwerde aufgehoben. Dabei haben die fünf Richterinnen die Grundsatzfragen, ob das Diskriminierungsverbot des FZA überhaupt direkt auf private Arbeitgeber angewendet werden kann (sogenannte Drittwirkung) und ob eine nur die Grenzgänger betreffende, vertragliche Lohnreduktion gegen dieses Diskriminierungsverbot verstossen würde, letztlich offengelassen. Stattdessen hat das Bundesgericht in seinem Mehrheitsentscheid (mit drei zu zwei Stimmen!) die Forderung der Arbeitnehmerin nach Lohnnachzahlung an sich als rechtsmissbräuchlich abgewiesen. Die knappe Mehrheit der Bundesrichterinnen argumentierte, die Arbeitnehmerin habe gewusst, dass die Lohnreduktion von der Arbeitgeberin vorgenommen worden sei, weil die Eurokrise sie mit dem steigenden Franken in eine prekäre finanzielle Lage gebracht hatte. Das Motiv dieser Kostensenkungsmassnahme habe einzig in der Sicherung von Arbeitsplätzen bestanden und nicht darin, die Arbeitgeberin zum Nachteil der Arbeitnehmerin profitieren zu lassen. Vor diesem Hintergrund erscheine die erst Jahre später erfolgte Anrufung des Diskriminierungsverbots durch die Arbeitnehmerin, obwohl sie der Lohnreduktion seinerzeit zugestimmt hatte, als zweckwidrige Verwendung des Rechtsinstituts des Diskriminierungsverbots, weil die Arbeitnehmerin damit die Arbeitgeberin davon abgehalten habe, gegebenenfalls in Frage kommende alternative Rettungsmassnahmen zu treffen.

Wörtlich führt das Bundesgericht in seinen Urteilserwägungen unter anderem aus (E. 3.2):

«Im zu beurteilenden Fall treten besondere Umstände zur Tatsache hinzu, dass die Beschwerdegegnerin der Lohnanpassung im Dezember 2011 zugestimmt hat: Beide Parteien wussten – und damit auch die Beschwerdegegnerin –, dass die Arbeitgeberin zur konkreten Lohnmassnahme schritt, weil die Eurokrise sie mit dem steigenden Franken in eine prekäre finanzielle Lage gebracht hatte. So ist im angefochtenen Urteil festgestellt, dass die Beschwerdeführerin ihre Mitarbeitenden im Dezember 2011 über diese Situation orientierte. Ebenso war der Beschwerdegegnerin bewusst, dass ein in Schweizer Franken ausbezahlter Lohn angesichts des tatsächlichen Wechselkurses einen höheren Eurobetrag ergeben hätte. Eine Lohnkürzung wurde nicht etwa vorgeschlagen, damit die Arbeitgeberin zum Nachteil der Arbeitnehmerin davon profitieren konnte, sondern weil das Überleben des Produktionsstandortes in Schaffhausen aufgrund der aussergewöhnlichen Währungsverschiebungen akut gefährdet war. Die gravierende finanzielle Lage der Beschwerdeführerin, die darauf zurückzuführen war, dass diese ihre Umsätze in Euro generierte, während die Lohnkosten am Standort Schaffhausen in Schweizer Franken anfielen, wurde von der Beschwerdegegnerin ebenso wenig bestritten wie das Motiv der ergriffenen Kostensenkungsmassnahme, das einzig in der Sicherung von Arbeitsplätzen bestand. Es ging der Beschwerdeführerin mit dieser Massnahme also gerade darum, die sonst gefährdeten Arbeitsplätze zu erhalten. Sie ergriff die strittige Lohnmassnahme in einer aussergewöhnlichen Situation zu einer Zeit, in der selbst die Schweizerische Nationalbank (SNB) Mühe bekundete, der unvorhergesehenen Lage auf den Finanzmärkten Herr zu werden und sich zu ausserordentlichen geldpolitischen Massnahmen genötigt sah. Wenn die Beschwerdeführerin im Wissen sowohl um die prekäre wirtschaftliche Lage des Unternehmens in einer währungsbedingten Ausnahmesituation als auch um diese Beweggründe der Lohnkürzung zustimmte, es ihr damals also einleuchtete, dass die Massnahme letztlich auch ihren eigenen Arbeitsplatz rettete und es nicht darum ging, sie zugunsten der Arbeitgeberin schlechter zu stellen, erscheint es als rechtsmissbräuchlich, wenn sie Jahre später dennoch Diskriminierung geltend macht und sich hierzu auf Art. 9 Anhang I FZA beruft. […] Wenn die Beschwerdegegnerin Jahre später das wirtschaftlich motivierte Diskriminierungsverbot des Freizügigkeitsabkommens anruft, obwohl sie der Lohnmassnahme zugestimmt hatte im Wissen, dass damit in einer wirtschaftlichen Ausnahmesituation auch ihr Arbeitsplatz gesichert werden sollte, erscheint dies als zweckwidrige Verwendung des Rechtsinstituts des Diskriminierungsverbots nach Art. 9 Anhang I FZA, weil sie damit die Beschwerdeführerin davon abhielt, gegebenenfalls in Frage kommende alternative Rettungsmassnahmen zu treffen.»

Neben dem geschilderten Fall hat das Bundesgericht am 15. Januar 2019 in einem zweiten Urteil (4A_215/2017) in identischer Besetzung auch noch einen gleich gelagerten Fall aus dem Kanton Jura beurteilt. Ein französischer Grenzgänger, welcher im Kanton Jura gearbeitet hatte, erhielt vom Tribunal cantonal jurassien eine Lohnnachzahlung von CHF 18’881.00 zugesprochen. Auch in diesem Fall hat das Bundesgericht das kantonale Urteil jedoch mit drei gegen zwei Stimmen aufgehoben und die Klage des Arbeitnehmers mit derselben Begründung wie im Urteil 4A_230/2018 abgewiesen.

Inwiefern den beiden Urteilen Signalwirkung für die Zukunft oder für weitere hängige Fälle zukommt, ist schwer zu beurteilen. Zum einen gilt es zu bedenken, dass eine Minderheit von zwei der am Urteil beteiligten fünf Bundesrichterinnen – wie vorinstanzlich auch das Obergericht des Kantons Schaffhausen und das Tribunal cantonal jurassien – eine Verletzung des Diskriminierungsverbots durch die konkrete Lohnmassnahme sehr wohl bejaht haben. Zum anderen ist dem Urteil 4A_230/2018 auch Kritik aus der Lehre erwachsen, namentlich von Prof. Dr. iur. Kurt Pärli, Professor für soziales Privatrecht an der juristischen Fakultät der Universität Basel, welcher dem Urteil eine unzulässige Ausdehnung des Rechtsmissbrauchsverbots unterstellt und darin eine Aushöhlung des Arbeitnehmerschutzes sieht (KURT PÄRLI, Eurolohn: Berufung auf das Diskriminierungsverbot ist rechtsmissbräuchlich, in: Jusletter 20. Mai 2019).

Solange die Grundsatzfragen, ob das Diskriminierungsverbot des FZA überhaupt direkt auf private Arbeitgeber angewendet werden kann und ob eine nur die Grenzgänger betreffende, vertragliche Lohnreduktion gegen dieses Diskriminierungsverbot verstossen würde, höchstrichterlich nicht beantwortet sind, ist bei der Vereinbarung von Eurolöhnen mit Grenzgängern jedenfalls weiterhin Vorsicht geboten.

2. Zeitlicher Kündigungsschutz nach Ablauf der Probezeit / Schwangerschaft

Den zeitlichen Kündigungsschutz der Arbeitnehmenden regelt das schweizerische Arbeitsvertragsrecht unter dem Titel «Kündigung zur Unzeit» in Art. 336c OR. Abs. 1 der genannten Bestimmung definiert verschiedene sogenannte Sperrfristen, während denen die Arbeitgeberin das Arbeitsverhältnis nicht kündigen darf. Tut sie es trotzdem, ist ihre Kündigung nichtig, weshalb diese das Arbeitsverhältnis nicht aufzulösen vermag (Art. 336c Abs. 2 OR).

Die wohl bedeutendsten Gründe, welche eine Kündigungssperrfrist auslösen, sind die unverschuldete, krankheits- oder unfallbedingte Arbeitsunfähigkeit des Arbeitnehmers (Art. 336c Abs. 1 lit. b OR) sowie Schwangerschaft /Niederkunft der Arbeitnehmerin (Art. 336c Abs. 1 lit. c OR).

Der zeitliche Kündigungsschutz des Art. 336c OR greift allerdings erst nach Ablauf der Probezeit. Solange sich der Arbeitnehmer noch in der Probezeit befindet, kann die Arbeitgeberin das Arbeitsverhältnis deshalb auch während einer laufenden Sperrfrist gültig kündigen.

In seinem Urteil 4A_594/2018 vom 6. Mai 2019 musste das Bundesgericht vorab prüfen, ob sich eine Arbeitnehmerin, welche während ihrer – der Arbeitgeberin damals noch nicht bekannten – Schwangerschaft gekündigt wurde, im Zeitpunkt der Kündigung noch in der Probezeit befunden hatte. Ausserdem hielt das Bundesgericht auch fest, dass die Arbeitnehmerin ihre Schwangerschaft der Arbeitgeberin nicht innert einer bestimmten Frist bekannt geben muss, um vom Kündigungsschutz für Schwangere profitieren zu können. Allein der Umstand, dass die Arbeitnehmerin mit der Bekanntgabe ihrer Schwangerschaft zuwartet, bis die Probezeit abgelaufen ist, begründet sodann nach der Auffassung des Bundesgerichts auch keinen den Kündigungsschutz aufhebenden Rechtsmissbrauch.

Dem Urteil liegt folgender Sachverhalt zu Grunde:

Die Arbeitgeberin, eine GmbH, welche Elektrogeräte verkauft und dazu in der Stadt Genf vier Verkaufsstellen betreibt, stellte die Arbeitnehmerin, welche bereits einige Berufserfahrung im Verkauf aufweisen konnte, ab dem 6. Juli 2015 als Verkäuferin ein. Bis Anfang August 2015 wurde die Arbeitnehmerin in einem ersten Laden der Arbeitgeberin beschäftigt. Danach beteiligte sie sich ab August 2015 an den Arbeiten zur Eröffnung eines zweiten Ladens, in welchem sie dann nach dessen Eröffnung Mitte September 2015 wiederum im Verkauf beschäftigt wurde.

Am 1. Oktober 2015 haben die Parteien einen unbefristeten Arbeitsvertrag unterzeichnet, welcher eine Probezeit von drei Monaten vorsah und nach deren Ablauf im ersten Dienstjahr mit einer Frist von einem Monat zum Ende eines Monats gekündigt werden konnte.

Am 27. Oktober 2015 teilte die Arbeitnehmerin der Arbeitgeberin mit, dass sie schwanger ist, und zwar gemäss der Beurteilung ihres Arztes schon seit dem 8. Juli 2015. Daraufhin kündigte die Arbeitgeberin das Arbeitsverhältnis noch am selben Tag mit Wirkung per 2. November 2015. Sie stellte sich auf den Standpunkt, mit dem neuen Arbeitsvertrag habe am 1. Oktober 2015 ein neues Arbeitsverhältnis mit einer Probezeit von drei Monaten begonnen, welche am 27. Oktober 2015 noch nicht beendet gewesen sei. Die Arbeitnehmerin war demgegenüber der Ansicht, ihr Arbeitsverhältnis habe bereits am 6. Juli 2015 begonnen, weshalb ihre Probezeit bereits abgelaufen und die Kündigung wegen der bestehenden Schwangerschaft nichtig sei.

Das Bundesgericht hat in seinem Urteil vorab festgehalten, dass die Probezeit den Parteien erlauben soll, ihre Vertrauensbeziehungen zu testen und festzustellen, ob sie gegenseitig zu einander passen, bevor sie sich für einen längeren Zeitraum verpflichten. Das Gesetz beschränkt die maximale Dauer der Probezeit jedoch auf drei Monate (Art. 335b Abs. 2 OR). Vereinbaren die Parteien trotzdem eine längere Probezeit, so ist dies rechtswidrig und in jenem Umfang ungültig, als die maximale Dauer von drei Monaten überschritten wird. Namentlich bei der unmittelbaren oder zeitlich engen Abfolge von zwei Arbeitsverträgen kann unter bestimmten Umständen der Verdacht bestehen, dass der Kündigungsschutz durch erneute Vereinbarung einer weiteren Probezeit zum Nachteil des Arbeitnehmers umgangen werden soll. Auch in solchen Fällen darf es deshalb nur eine einzige Probezeit von höchstens drei Monaten geben.

Im konkreten Fall kam das Bundesgericht zu dem Schluss, dass die Parteien ab dem 6. Juli 2015 in einem Arbeitsverhältnis standen und dass die Probezeit – unabhängig davon, dass die Parteien den Zeitraum bis zum 30. September 2015 als «Stage» bezeichnet haben – im Zeitpunkt der Kündigung am 27. Oktober 2015 bereits abgelaufen war. Eine Verlängerung der Probezeit bis zum 27. Oktober 2015 wäre auf jeden Fall nicht zulässig gewesen.

Auch das weitere Argument der Arbeitgeberin, die Klägerin habe sich rechtsmissbräuchlich verhalten, indem sie die Mitteilung ihrer Schwangerschaft absichtlich so lange hinausgezögert habe, bis die Parteien am 1. Oktober 2015 ihren neuen Arbeitsvertrag unterzeichnet hatten, liess das Bundesgericht nicht gelten. Es führte dazu aus, dass sich der von Art. 336c Abs. 1 lit. c OR gewährte Kündigungsschutz allein auf den Schwangerschaftszustand der Arbeitnehmerin beziehe und sich die Sperrfrist auf die gesamte Dauer der Schwangerschaft sowie die 16 Wochen nach der Niederkunft erstrecke. Hingegen mache der Gesetzestext den Kündigungsschutz nicht von der Mitteilung der Schwangerschaft abhängig und statuiere auch keine Frist für die Geltendmachung des Rechts auf Kündigungsschutz.

Vor diesem Hintergrund waren für das Bundesgericht sowohl der Zeitpunkt, zu dem die Arbeitnehmerin von ihrer Schwangerschaft Kenntnis erlangt hat, als auch die Gründe, warum sie die Arbeitgeberin nicht früher über ihren Zustand informiert hat, für den zu beurteilenden Fall irrelevant. Aus der Sicht des Bundesgerichts bestanden keine besonderen Umstände, welche die Arbeitnehmerin verpflichtet hätten, ihre Schwangerschaft bereits während der Probezeit mitzuteilen. Dass sie bis zum 27. Oktober 2015 bzw. bis zur dannzumal ausgesprochenen Kündigung damit zugewartet hatte, ihre Arbeitgeberin über die bestehende Schwangerschaft zu informieren, ist der Arbeitnehmerin nicht vorzuwerfen. Ihr Verhalten kann damit laut Bundesgericht auch nicht als rechtsmissbräuchlich im Sinne von Art. 2 Abs. 2 ZGB erscheinen.

Das Bundesgericht hat damit die Beschwerde der Arbeitgeberin abgewiesen und das Urteil der Genfer «Chambre des prud’hommes de la Cour de justice» bestätigt, mit welchem die Arbeitgeberin zu einer Lohnnachzahlung im Betrag von CHF 53’763.35 (brutto) an die Arbeitnehmerin verpflichtet wurde.

3. Fristlose Entlassung eines Arbeitnehmers wegen ungerechtfertigter Arbeitsverweigerung

Eine fristlose, sofortige Beendigung des Arbeitsverhältnisses, ohne Einhaltung von Kündigungsfrist und Kündigungstermin, ist nur aus wichtigen Gründen zulässig (Art. 337 Abs. 1 OR). Dabei gilt jeder Umstand als wichtiger Grund, bei dessen Vorhandensein der kündigenden Partei nach Treu und Glauben die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses nicht mehr zugemutet werden darf (Art. 337 Abs. 2 OR).

Verweigert der Arbeitnehmer seine Arbeitsleistung, wird dies regelmässig als wichtiger Grund für eine fristlose Entlassung genügen, es sei denn, die Arbeitsverweigerung erscheine aufgrund besonderer Umstände als gerechtfertigt. Letzteres wäre beispielsweise der Fall, wenn der Arbeitnehmer ohne sein Verschulden krankheitsbedingt an der Arbeitsleistung gehindert wird. Dieser besondere Fall hat sogar ausdrücklich im Gesetz Erwähnung gefunden. Art. 337 Abs. 3 OR bestimmt ausdrücklich, dass die unverschuldete Verhinderung des Arbeitnehmers an der Arbeitsleistung in keinem Fall als wichtiger Grund für eine fristlose Auflösung des Arbeitsverhältnisses anerkannt werden darf.

In seinem Urteil 4A_45/2018 vom 25. Juli 2018 hatte sich das Bundesgericht unter anderem mit der Frage zu beschäftigen, ob ein Arbeitnehmer mit einem 50 %-Pensum, welcher gemäss ärztlichem Attest zu 50 % arbeitsunfähig war, die vom Arbeitgeber verlangte Wiederaufnahme der Arbeit zu Recht verweigert hatte, oder ob die vom Arbeitgeber nach der verweigerten Wiederaufnahme der Arbeit ausgesprochene fristlose Entlassung gerechtfertigt war.

Dem Urteil liegt mit Bezug auf die Teilfrage, ob die fristlose Entlassung gerechtfertigt war, folgender Sachverhalt zu Grunde:

Der Arbeitnehmer, welcher mit einem Pensum von 50 % als Mitarbeiter in einem Notariatsbüro beschäftigt war, hat seinem Arbeitgeber am 29. März 2009 ein ärztliches Attest zukommen lassen, welches ihm eine krankheitsbedingte Arbeitsunfähigkeit von 100 % für die Zeit vom 25. März 2009 bis zum 29. März 2009 und eine solche von 50 % für die Zeit ab dem 30. März 2009 bescheinigte. Der Arbeitgeber hat den Arbeitnehmer daraufhin schriftlich aufgefordert, seine Arbeit ab Mittwoch, dem 1. April 2009, nachmittags, wieder aufzunehmen. Nachdem der Arbeitnehmer in der Folge weiterhin nicht zur Arbeit erschienen war, löste der Arbeitgeber am 3. April 2009 das Arbeitsverhältnis aus diesem Grund fristlos auf.

Der Arbeitnehmer betrachtete diese Kündigung als ungerechtfertigte fristlose Entlassung und stellte sich auf den Standpunkt, da er lediglich zu 50 % angestellt gewesen sei, sei er zur Wiederaufnahme der Arbeit nicht verpflichtet gewesen, solange er gemäss ärztlichem Attest zu 50 % arbeitsunfähig gewesen sei.

Das Bundesgericht bezeichnete diese Argumentation des Arbeitnehmers ausdrücklich als schwer verständlich (im französischen Originaltext: «Son argumentation est difficilement intelligible») und stellte klar, dass das besagte ärztliche Attest nicht die vollständige Abwesenheit des Arbeitnehmers in der gesamten Woche vom 30. März bis zum 3. April 2009 zu entschuldigen vermöge (Urteil 4A_45/2018, Erwägung 7.2). Dazu hielt das Bundesgericht vorab grundsätzlich fest, dass es sich nicht rechtfertigen lasse, ein ärztliches Attest nach dem zwischen dem Patienten und seinem Arbeitgeber vereinbarten Beschäftigungsgrad auszulegen, weil der Arzt kein Rechtsgutachten über die vertraglichen Pflichten des Patienten, sondern nur eine Bescheinigung über seine medizinische Tauglichkeit für die betreffende Arbeit abgibt. Im konkreten Fall stellte das Bundesgericht dann aber sogleich fest, dass der Arbeitnehmer selbst dann seine Arbeit ab Montag, dem 30. März 2009, jedenfalls zur Hälfte von 50 %, d.h. zu 25 % wieder hätte aufnehmen müssen, wenn das ärztliche Attest nach dem im konkreten Fall vereinbarten Beschäftigungsgrad ausgelegt würde.

Auch dieser Fall zeigt einmal mehr eindrücklich die Probleme auf, welche entstehen können, wenn ein ärztliches Attest eine teilweise Arbeitsunfähigkeit ausschliesslich in einem einzigen, nicht näher definierten Prozentsatz ausdrückt. «50 % arbeitsunfähig» kann bedeuten, dass der Arbeitnehmer nur zur Hälfte seiner vereinbarten Arbeitszeit arbeiten kann, während dieser reduzierten Zeit aber grundsätzlich die volle Leistung erbringen kann. Es kann aber auch bedeuten, dass der Arbeitnehmer zwar während der gesamten vereinbarten Arbeitszeit am Arbeitsplatz präsent sein kann, in dieser Zeit aber nur eine um 50 % verminderte Leistung erbringen kann.

Um dieser Problematik Rechnung zu tragen, erlauben neuere Zeugnisformulare dem behandelnden Arzt, die Arbeitsfähigkeit des Patienten sowohl hinsichtlich der ihm möglichen Präsenzzeit am Arbeitsplatz als auch hinsichtlich seiner Leistungsfähigkeit während dieser Präsenzzeit differenziert zu beurteilen. Ein solches Zeugnisformular lässt sich beispielsweise unter dem folgenden Link finden: Arbeitsfähigkeitszeugnis der Interessengemeinschaft Versicherungsmedizin Schweiz.

4. Zulässigkeit von Konventionalstrafen im Arbeitsvertrag

Es kommt vor, dass in Arbeitsverträgen für den Fall von pflichtwidrigem Verhalten des Arbeitnehmers Konventionalstrafen vereinbart werden. Hierbei ist Vorsicht geboten, wie das Bundesgericht kürzlich festgestellt hat.

Dem Urteil liegt folgender Sachverhalt zu Grunde:

Im Entscheid vom 7. Mai 2018 (4A_579/2017 / 4A_581/2017) hatte das Bundesgericht zu beurteilen, ob eine geschäftsführende Ärztin einer Arztpraxis zur Zahlung von Konventionalstrafen zu verpflichten sei. Sie hatte zwei Vertragsverletzungen begangen. Erstens holte sie keine schriftliche Zustimmung der Arbeitgeberin zur Aufnahme einer Nebentätigkeit als Belegärztin an einer Privatklinik ein. Zweitens gab sie bei Auflösung des Arbeitsverhältnisses der Arbeitgeberin die mit der Praxis verknüpfte Zahlstellenregisternummer nicht zurück.

Die Arbeitgeberin stützte ihre Forderung auf die folgende Klausel im Arbeitsvertrag: «Bei Zuwiderhandlungen gegen diesen Vertrag, insbesondere gegen das Konkurrenzverbot oder die Geheimhaltungspflicht, schuldet die Arbeitnehmerin eine Konventionalstrafe von je CHF 50’000.00 pro Verstoss.»

Das Bundesgericht erläutert in seinem Entscheid, dass Art. 321e OR als Voraussetzung für die Haftung des Arbeitnehmers eine Vertragsverletzung, einen Schaden, ein Verschulden und einen adäquaten Kausalzusammenhang verlangt. Von dieser Bestimmung darf von Gesetzes wegen nicht zuungunsten des Arbeitnehmers abgewichen werden (Art. 362 Abs. 1 OR). Da die zitierte Vertragsklausel für die Bezahlung der Konventionalstrafe weder einen Schaden noch ein Verschulden der Arbeitnehmerin voraussetzt, stellt sie im Vergleich zu Art. 321e OR eine Haftungsverschärfung dar, was nicht zulässig ist.

Das vorstehend Gesagte bezieht sich auf Konventionalstrafen mit Ersatzfunktion, d.h. solche die einen wirtschaftlichen Nachteil ausgleichen sollen. Wie das Bundesgericht weiter festhielt, weise eine Konventionalstrafe regelmässig auch Straf- bzw. Disziplinarcharakter auf. Solche Disziplinarmassnahmen sind aber für dem Arbeitsgesetz unterstellte Personen nur dann zulässig, wenn sie in der entsprechenden Betriebsordnung angemessen geregelt sind (Art. 38 Abs. 1 des Arbeitsgesetzes). Für sämtliche Arbeitnehmer gilt zudem, dass die unter die Disziplinarstrafe fallenden Tatbestände klar umschrieben und die Höhe der Strafe bestimmt und verhältnismässig sein muss. Im vom Bundesgericht zu beurteilenden Fall genügte die Vertragsklausel auch diesen Anforderungen nicht.

Das Bundesgericht kam folglich zum Schluss, dass die Arbeitgeberin aus der vereinbarten Konventionalstrafe im Arbeitsvertrag nichts ableiten kann und die geschäftsführende Ärztin damit auch nichts schuldet.

Im vorliegenden Fall hatte sich das Bundesgericht nicht über Konventionalstrafen im Zusammenhang mit nachvertraglichen Konkurrenzverboten zu äussern. Das Gesetz hält in Art. 340b Abs. 2 OR die Möglichkeit der Vereinbarung einer Pflicht zur Zahlung einer Konventionalstrafe bei Übertretung des Konkurrenzverbotes ausdrücklich fest. Damit erlaubt der Gesetzgeber im Rahmen von Konkurrenzverboten eine mögliche Haftungsverschärfung, indem kein Schadensnachweis erforderlich ist.

Zusammenfassend ergibt sich, dass in Arbeitsverträgen Haftungsklauseln zu Lasten des Arbeitnehmers sorgfältig zu formulieren sind. Bei Disziplinarstrafen ist der zu bestrafende Tatbestand klar zu umschreiben. Die Höhe der Strafe ist zu bestimmen und sie muss verhältnismässig sein. Sodann sind solche Bestimmungen von Klauseln zum nachvertraglichen Konkurrenzverbot zu trennen.

VOSER RECHTSANWÄLTE

Patrick Bühlmann

Eliane Benjamin

Die Autorinnen und Autoren dieses Beitrags:

lic. iur. Patrick
Bühlmann
Rechtsanwalt, Fachanwalt SAV Arbeitsrecht
+41 56 203 14 84
p.buehlmann@voser.ch
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