LEXPRESS 11 Fragen zur Nutzniessung und zum Wohnrecht

Das Ehepaar Muster wohnt im Einfamilienhaus, welches ihnen gehört. Sie haben eine Tochter und einen Sohn und beabsichtigen, die Liegenschaft auf die Tochter zu übertragen. Solange es geht, möchten sie in der Liegenschaft wohnen. Die Idee ist, dass die Kinder beim Ableben des zweitversterbenden Elternteils keine Diskussionen betreffend die Liegenschaft haben. Zudem soll das Vermögen geschützt werden, falls ein Ehegatte im Alter pflegebedürftig wird.

Viel Vergnügen bei der Lektüre!

1. Was ist eine Nutzniessung?

Die Nutzniessung verleiht dem Berechtigten den vollen Genuss an einem fremden Vermögenswert. Dies bedeutet, dass der Nutzniessungsberechtigte den Vermögenswert selbst benutzen und gebrauchen darf. Er ist auch berechtigt, den Vermögenswert zu vermieten oder zu verpachten. Dem Eigentümer bleibt damit nur das nackte Eigentum. Nicht umfasst von der Nutzniessung ist eine Veräusserung des Vermögenswertes. Der Berechtigte muss somit den Bestand des Vermögenswertes erhalten, sodass nach Erlöschen der Nutzniessung der Vermögenswert dem Eigentümer zurückgegeben werden kann.

Die Nutzniessung als solche ist nicht übertragbar und nicht ­vererblich. Sie erlischt damit spätestens beim Tod des Berechtigten. Die Ausübung der Nutzniessung kann aber grundsätzlich übertragen werden. Zu Gunsten einer juristischen Person ist die Dauer der Nutzniessung auf maximal 100 Jahre beschränkt.

In unserem Beispiel kann die Tochter den Eltern eine Nutzniessung an der Liegenschaft einräumen. Die Eltern dürfen damit das Einfamilienhaus selbst bewohnen oder an Dritte vermieten und die Mieterträge beziehen. Sie können das Haus aber nicht verkaufen.

2. Was ist ein Wohnrecht?

Das Wohnrecht verleiht dem Berechtigten die Befugnis, in einem Gebäude oder in einem Teil eines Gebäudes zu wohnen. Der Wohnberechtigte darf seine Familienangehörigen und Hausgenossen zu sich in die Wohnung aufnehmen, ausser das Wohnrecht ist auf die Person des Berechtigten beschränkt. Besteht das Wohnrecht ausschliesslich an einem Teil eines Gebäudes, dürfen die gemeinschaftlichen Einrichtungen des Gebäudes mitbenutzt werden.

Das Wohnrecht kann nur zu Gunsten einer natürlichen Person begründet werden. Es ist nicht übertragbar und nicht vererblich und erlischt somit spätestens beim Tod des Berechtigten.

Ohne anderslautende Vereinbarung ist sowohl die Einräumung des Wohnrechts als auch die Ausübung des Wohnrechts unentgeltlich. Vorbehalten bleibt die Kostentragungspflicht des Wohnrechtsberechtigten (vgl. Frage 6 hiernach). In obligatorischer Weise kann für die Einräumung des Wohnrechts und für die Ausübung des Wohnrechts ein Entgelt in Form einer einmaligen Abgeltung oder einer periodischen Abgeltung (z.B. jährlicher Wohnrechtszins) vereinbart werden.

In unserem Beispiel kann die Tochter den Eltern ein lebenslängliches Wohnrecht an der Liegenschaft einräumen. Die Eltern sind damit berechtigt, so lange im Einfamilienhaus wohnen zu bleiben, wie sie möchten.

3. Wie wird ein Wohnrecht oder eine Nutzniessung begründet?

Die Nutzniessung und das Wohnrecht an einem Grundstück entstehen mit der Eintragung im Grundbuch.(1) Damit eine Nutzniessung oder ein Wohnrecht im Grundbuch eingetragen werden kann, müssen die Eigentümer des mit der Nutzniessung oder dem Wohnrecht belasteten Grundstückes zusammen mit den Berechtigten einen öffentlich beurkundeten Vertrag abschliessen. In diesem Vertrag werden der Umfang sowie die Modalitäten der Nutzniessung oder des Wohnrechts ausführlich geregelt. Auch möglich ist, dass die Nutzniessung oder das Wohnrecht in einem Testament oder einem Erbvertrag eingeräumt wird.

In unserem Beispiel schliessen die Eheleute Muster mit ihrer Tochter einen öffentlich beurkundeten Vertrag ab. In diesem wird die Übertragung der Liegenschaft an die Tochter geregelt und gleichzeitig wird den Eltern die Nutzniessung oder das Wohnrecht an dieser Liegenschaft eingeräumt. Dieser Vertrag meldet der Notar anschliessend dem Grundbuchamt an und die Nutzniessung oder das Wohnrecht wird im Grundbuch eingetragen. Zur Vermeidung von erbrechtlichen Streitigkeiten empfiehlt sich die Mitwirkung des Bruders der Übernehmerin und Sohn der Eheleute Muster (vgl. auch die Hinweise auf erbrechtliche Themen bei den Antworten zu den Fragen 7, 8 und 9).

4. Was kann Gegenstand der Nutzniessung bzw. des Wohnrechts sein?

Gegenstand der Nutzniessung (Nutzniessungsobjekt) können Vermögenswerte aller Art sein (körperliche Sachen d.h. bewegliche Gegenstände, Grundstücke, Grundstücksteile, Tiere, übertragbare Rechte wie Forderungen, Wertpapiere, Vermögen, d.h. eine Gesamtheit von körperlichen Sachen und/oder Tieren und/oder übertragbaren Rechten).

Im Gegensatz dazu können Gegenstand eines Wohnrechts nur Räumlichkeiten sein, die sich zum Wohnen eignen. An gewerblichen Räumlichkeiten (z.B. reinen Büroräumen, Verkaufs­räumen, Werkstätten, Lagerräumen, Ställen, Scheunen) sowie an Grundstücksteilen, denen der Raumcharakter fehlt (z.B. Garten, Parkplätze, Aussen-Schwimmbad), ist die Einräumung eines Wohnrechts unzulässig. Die ausschliessliche Benutzung oder Mitbenutzung dieser Räume bzw. Grundstückteile kann nur zusammen mit einem Wohnrecht an Wohnräumen vereinbart werden.

Wird die Berechtigung nur an einem Teil eines Gebäudes eingeräumt oder stehen einzelne Räume den Berechtigten zur ausschliesslichen Nutzung und andere nur zur Mitbenutzung zur Verfügung, sind die entsprechenden Flächen in Plänen einzuzeichnen, welche dem Grundbuchamt zu den Akten gegeben werden.

5. Was passiert mit der Hypothek?

Im Rahmen der Übertragung einer Liegenschaft auf Nachkommen unter gleichzeitiger Einräumung einer Nutzniessung oder eines Wohnrechts zu Gunsten der Eltern wird die Hypothek regelmässig auf die Nachkommen übertragen. Voraussetzung für diese Schuldübernahme durch die Nachkommen unter gleichzeitiger Befreiung der Eltern ist die Zustimmung der Grundpfandgläubigerin (Bank). Wird die Zustimmung zur Schuldübernahme von der Bank nicht erteilt, bleiben die Eltern Solidarschuldner der Hypothek.

Es besteht aber auch die Möglichkeit, mit der Bank ein Drittpfandverhältnis zu begründen, wenn die Bank einem solchen Verhältnis zustimmt. Die Hypothek verbleibt bei einem Drittpfandverhältnis bei den Eltern als Nutzniesser oder Wohnrechtsberechtigte. In unserem Beispiel erhält die Tochter nur das Eigentum an der Liegenschaft und unterzeichnet den Hypothekarvertrag als Pfandgeber (nicht aber als Schuldner) mit. Die Bank benötigt die Liegenschaft ja nach wie vor als Sicherheit für die Hypothek.

Die Hypothekarzinsen werden bei der gleichzeitigen Einräumung einer Nutzniessung auch nach der Übertragung der Liegenschaft in der Regel durch die Eltern als Nutzniesser getragen. Dadurch vermindert sich der Ertrag, was bei der Bewertung der Nutzniessung zu berücksichtigen ist. Bei einem Wohnrecht gehen die Hypothekarzinsen gestützt auf die gesetz­liche Regelung in Art. 778 ZGB zu Lasten der Nachkommen als neue Eigentümer. Dies kann aber im Wohnrechtsvertrag anders geregelt werden.

6. Wer bezahlt welche Kosten?

Der Nutzniessungsberechtigte kommt für den gewöhnlichen, ordentlichen Unterhalt des mit der Nutzniessung belasteten Grundstücks bzw. Gebäudeteils auf. Dazu gehören die Instandhaltung (Reinigung, Pflege, Wartung), Instandstellung (laufende Reparaturen und Ausbesserungen) und Erneuerung (regelmässiger Ersatz von kleineren, i.d.R. kurzlebigen Einrichtungen und Anlagen, kleinere Renovationen), soweit dies zum laufenden Unterhalt gehört. Versicherungsprämien, Steuern und Abgaben sowie die Bewirtschaftungskosten wie Heiz- und Nebenkosten gehen ebenfalls zu Lasten des Nutzniessers. Darüber hinaus bezahlt der Nutzniesser die Hypothekarzinsen.

Alle anderen Kosten trägt der Eigentümer. Insbesondere die Kosten für ausserordentliche Reparaturen wie beispielsweise für den Ersatz der Heizung oder die Reparatur des Daches gehen zu Lasten des Eigentümers. Der Eigentümer muss diese Kosten aber nicht aus seinem eigenen Vermögen finanzieren. Die Nutzniessung beruht auf dem Gedanken, dass der Eigentümer nebst der Überlassung des Nutzniessungsgutes mit allen Rechten während der Dauer der Nutzniessung grundsätzlich keine weiteren Leistungen an den Nutzniesser oder für den Unterhalt des Nutzniessungsgegenstandes zu erbringen hat. Der Eigentümer kann vom Nutzniesser deshalb ein zinsfreies Darlehen oder die Erhöhung der Hypothek für die Bezahlung der ausserordentlichen Unterhaltskosten verlangen. Der Nutzniesser bezahlt im letzteren Fall die Hypothekarzinsen für die erhöhte Bankschuld.

Weigert sich der Eigentümer, ausserordentliche Unterhaltsarbeiten in Auftrag zu geben oder zu bezahlen, kann der Nutzniesser diese selber in Auftrag geben. Da der Nutzniesser aber vorschusspflichtig ist, kann er die aufgewendeten Kosten erst nach Beendigung der Nutzniessung vom Eigentümer zurückverlangen.

Beim Wohnrecht bezahlt der Wohnrechtsberechtigte die Kosten für den gewöhnlichen, ordentlichen Unterhalt (wie der Nutzniessungsberechtigte) sowie die Heiz- und Nebenkosten, welche sich auf die von ihm ausschliesslich benutzten Räumlichkeiten beziehen. Die Hypothekarzinsen sowie die übrigen Kosten bezahlt der Eigentümer.

Sowohl bei der Nutzniessung als auch beim Wohnrecht können die Parteien eine vom Gesetz abweichende Kostentragungspflicht vorsehen.

7. Wie wird das Wohnrecht oder die Nutzniessung bewertet?

In der Praxis werden das Wohnrecht und die Nutzniessung aufgrund der Zeitdauer der Berechtigung und aufgrund des finanziellen Nutzens, welcher dem Berechtigten zukommt, kapitalisiert. Die Berechnungsmethode ist beim Wohnrecht und bei der Nutzniessung dieselbe. Eine gesetzliche Grundlage für diese Methode findet sich weder im Zivilgesetzbuch noch in den kantonalen Steuergesetzen. Die kantonalen Steuerämter haben hierzu Weisungen erlassen und es finden sich entsprechende Berechnungstools im Internet.

Bei Wohnungen und Liegenschaften basiert die Berechnung auf dem Nettomietzins (ohne Nebenkosten). Je nach den finan­ziellen Lasten des Berechtigten (z.B. Bezahlung der Hypothekar­zinsen, Unterhaltskosten) wird vom Nettomietzins ein Abzug (z.B. –20%) vorgenommen. Der so bereinigte Nettonutzen ist bei einem lebenslänglichen Recht mit der statistischen Lebenserwartung des Berechtigten zu kapitalisieren. Hierfür sind die sogenannten Barwerttafeln von Stauffer/Schätzle/Weber oder in elektronischer Form mit dem Programm «capitalisator» massgebend. Wird die Nutzniessung oder das Wohnrecht zugunsten von mehreren Personen (z.B. Ehegatten) eingeräumt, wird auf das statistisch längere Leben für die Kapitalisierung abgestellt. Je nach Kanton sehen die Weisungen der Steuerämter einen Kapitalisierungszinssatz von 3% oder 3.5% p.a. vor. Der so berechnete Barwert entspricht dem Wert der Nutzniessung oder des Wohnrechts.

Mit jedem Jahr, das von der Wohnrechts- oder Nutzniessungsdauer vergeht, nimmt der Restwert des Wohnrechts oder der Nutzniessung (Barwert) ab. Entsprechend haben Wohnrechte oder Nutzniessungen mit einer langen Dauer einen hohen Barwert.

Übertragen die Eltern ihre Liegenschaft an ihre Tochter (siehe Beispiel) und behalten sie sich die lebenslängliche Nutzniessung oder das lebenslängliche Wohnrecht vor, so ist der Barwert der Nutzniessung oder des Wohnrechts vom Verkehrswert der übertragenen Liegenschaft in Abzug zu bringen. Eine mit der Nutzniessung oder mit dem Wohnrecht belastete Liegenschaft ist weniger Wert als eine unbelastete. Dieser reduzierte Wert ist bei mehreren Nachkommen in der Erbteilung der Eltern wichtig und massgebend, wenn die lebzeitige Übertragung der Liegenschaft einen Schenkungsanteil enthielt. Diese Schenkung muss sich der begünstigte Nachkomme bei der Erbteilung anrechnen lassen, falls die Eltern ihn nicht ausdrücklich von dieser Ausgleichungspflicht befreit haben. Die übrigen Nachkommen können sich dagegen nur zur Wehr setzen, falls die Befreiung von der Ausgleichungspflicht ihre Pflichtteile verletzt.

8. Was passiert bei einem vorzeitigen Verzicht auf das Wohnrecht oder die Nutzniessung?

Die Parteien können frei vereinbaren, ob bei einem vorzeitigen Verzicht auf das Wohnrecht oder auf die Nutzniessung der Restwert entschädigt werden muss oder nicht. Der Restwert wird nach den gleichen Grundsätzen berechnet wie der ursprüngliche Barwert (siehe Frage 7). Verzichtet der Wohnrechtsberechtigte oder Nutzniesser auf die Entschädigung, so schenkt er dem Belasteten den Restwert der Nutzniessung bzw. des Wohnrechts. Dies kann je nach Verwandtschaftsgrad eine Schenkungssteuer auslösen.

Verzichtet in unserem Beispiel Frau Muster nach dem Ableben ihres Ehemannes auf die Nutzniessung oder das Wohnrecht an der Liegenschaft, so kann die Tochter über die Liegenschaft frei verfügen. Der Restwert der Nutzniessung oder des Wohnrechts ist eine Schenkung von Frau Muster an ihre Tochter. Trifft ­Familie Muster keine zusätzliche Regelung, so hat sich die Tochter den Restwert der Nutzniessung oder des Wohnrechts in der Erbteilung von Frau Muster an ihren Erbanteil anrechnen zu lassen.(2) Frau Muster kann die Tochter von dieser Ausgleichungspflicht in einem schriftlichen Vertrag oder in einer einseitigen Erklärung befreien. Verletzt diese Regelung den Pflichtteil des Sohnes, so ist dieser berechtigt, seinen Pflichtteil zu verlangen.

9. Schützt die Eigentumsübertragung vor Vermögensverzehr bei hohen Pflegekosten?

Alters- und Pflegeheime erheben heute ihre Taxen unabhängig vom Einkommen oder Vermögen des Pensionärs oder des Pflegebedürftigen. Die Kosten setzen sich aus einer Grundtaxe und den bezogenen Dienstleistungen zusammen. Ist jemand pflegebedürftig, betragen die monatlichen Kosten oft 8’000 bis 10’000 Franken. Diese Kosten können mit dem Renteneinkommen der AHV und der Pensionskasse sowie den Leistungen der Krankenkasse nicht gedeckt werden. Entsprechend muss der Pflegebedürftige sein Vermögen anzehren.

Reichen die anrechenbaren Einnahmen nach dem Ergänzungsleistungs-Gesetz zur Deckung der monatlichen Ausgaben nicht aus, besteht ein Anspruch auf Ergänzungsleistungen. Grundsätzlich werden bei den Einnahmen nur die effektiven Einkünfte und das effektive Vermögen berücksichtigt. Hierzu gibt es aber eine Ausnahme: Hat der Pflegebedürftige sein Vermögen verschenkt oder auf Einkünfte verzichtet (z.B. zinsloses Darlehen an Kinder), wird ihm dieses Vermögen und diese Einkünfte trotzdem angerechnet. Ausgenommen davon sind 10’000 Franken pro Jahr, die verschenkt werden dürfen. Obwohl der Pflegebedürftige das Geld nicht mehr hat, werden ihm somit die Ergänzungsleistungen gekürzt oder es besteht kein Anspruch auf Ergänzungsleistungen.

Kann der Pflegebedürftige mit seiner Rente und aufgrund der fehlenden Ergänzungsleistungen die Kosten seines Heimaufenthaltes nicht zahlen und verfügt er über kein Vermögen mehr, bleibt nur der Gang zum Sozialamt.

Die Gemeinde ist berechtigt, die von ihr bezahlte Sozialhilfe über die Verwandtenunterstützung bei den Kindern einzufordern. Stiefkinder, verschwägerte Personen und Geschwister sind nicht unterstützungspflichtig.

Die Gemeinde prüft, ob die Kinder in finanziell günstigen Verhältnissen leben und es ihnen persönlich zumutbar ist, die Eltern zu unterstützen. Die Zumutbarkeit ist dabei umso mehr gegeben, wenn die Kinder von den Eltern Schenkungen erhalten haben. Was finanziell günstige Verhältnisse sind, bestimmt die Richtlinie der Schweizerischen Konferenz für Sozialhilfe (SKOS): Bemessungsgrundlagen sind das steuerbare Einkommen und das steuerbare Vermögen für die Bundessteuer abzüglich einem Freibetrag. Der Verwandtenunterstützungsbeitrag besteht höchstens im Umfang der bezahlten Sozialhilfe. Wer mehr als 120’000 Franken (Alleinstehende) respektive 180’000 (Ehepaare) steuerbares Einkommen inklusive Vermögensverzehr ausweist, ist unterstützungspflichtig. Pro minderjährigem oder in Ausbildung befindlichem Kind erfolgt ein Zuschlag von 20’000 Franken auf das steuerbare Einkommen.

Das steuerbare Vermögen wird abzüglich eines Freibetrages (Alleinstehende 250’000 Franken, Ehepaare 500’000 Franken und pro Kind 40’000 Franken) zum Einkommen hinzu­gerechnet. Dieses ist aufgrund der durchschnittlichen Lebens­erwartung auf einen Jahresbetrag umzurechnen. Grundeigentum von erheblichem Wert kann deswegen eine Verwandtenunterstützungspflicht auslösen. Bedeutet die Verpflichtung zu Bargeldleistung eine unzumutbare Härte, kann die Leistung grundpfandrechtlich sichergestellt werden. Die Leistung ist somit zwar geschuldet, muss aber erst bei einem Verkauf des Hauses aus dem Verkaufserlös bezahlt werden.

Das Sozialamt kann Verwandtenunterstützungsbeiträge nicht durch Erlass einer Verfügung einfordern. Es ist eine einvernehmliche Regelung zwischen dem Gemeinwesen und den unterstützungspflichtigen Kindern zu treffen. Kommt keine Einigung zustande, muss das Gemeinwesen eine Zivilklage erheben. Unterhaltsleistungen können für die Zukunft und für höchstens ein Jahr vor Klageerhebung verlangt werden.

Das Überschreiben des ganzen Vermögens (inkl. Liegenschaft) auf die Kinder schützt in einem ersten Schritt vor dem Vermögens­verzehr. Bei längerer Krankheit und/oder Pflegebedürftigkeit reicht das Renteneinkommen zur Deckung der Kosten nicht. Es besteht aufgrund des verschenkten Vermögens kein (oder nur ein reduzierter) Anspruch auf Ergänzungsleistungen. Vermögensentäusserungen verjähren nicht. Entsprechend können Behörden Schenkungen, welche zehn, zwanzig und mehr Jahre zurückliegen, berücksichtigen.

Übersteigen die Kosten das Einkommen, so wird die betroffene Person von der Sozialhilfe abhängig. Dies ist für die pflegebedürftige Person unangenehm, werden dadurch nur die Mindest­leistungen erbracht und bezahlt (Mehrbettzimmer, statt Einzelzimmer, etc.). Befinden sich die Nachkommen in finan­ziell günstigen Verhältnissen, werden sie den Eltern gegenüber unterstützungspflichtig. Eine Übertragung des ganzen Vermögens auf die Kinder ist kein absoluter Vermögensschutz. Es erschwert den Zugriff der Behörden zwar, sollte aber gut überlegt sein. Die Eltern sollten sich insbesondere fragen, ob sie im Alter von ihren Kindern finanziell abhängig sein wollen und einen tiefen Lebensstandard als Pflegebedürftige in Kauf nehmen.

10. Wird die Einräumung der Nutzniessung oder des Wohnrechts als Gegenleistung des Käufers verstanden? (Brutto-Nettoprinzip)

Behält sich der Veräusserer eines Grundstücks die Nutzniessung oder ein Wohnrecht am veräusserten Grundstück vor, fragt sich zunächst, ob dieser Vorgang einen Verkauf mit anschliessender entgeltlicher Einräumung der Personaldienstbarkeit durch den Käufer oder den Verkauf eines mit einer Personaldienstbarkeit (sog. Vorbehaltsnutzniessung bzw. Vorbehaltswohnrecht) belasteten Grundstücks darstellt.

Dem Gesetz ist keine direkte Antwort auf diese Frage zu entnehmen. In der Praxis bestehen dazu verschiedene Ansichten.

Die Praxis, wonach der Verkäufer zunächst das unbelastete Grundstück veräussert und sich unmittelbar anschliessend ein Wohnrecht an diesem einräumen lässt, hat das Bundesgericht in einem Entscheid vom 23. Januar 2002(3) mit Bezug auf den Kanton Uri für haltbar befunden. Diese Praxis wird von verschiedenen Kantonen, so auch vom Kanton Zürich befolgt.(4)

In einem Urteil vom 9. Februar 2000(5) stellte das Bundesgericht demgegenüber für den Bereich der direkten Bundessteuer fest, bei der Vorbehaltsnutzniessung werde nicht etwa ein Grundstück veräussert und hernach an diesem durch den Erwerber ein Nutzniessungsrecht zugunsten des Veräusserers bestellt. Vielmehr werde ein bereits – durch den Veräusserer – mit einem Nutzniessungsrecht belastetes Grundstück verkauft. Dieses Urteil wurde in der Folge bestätigt(6) und stellt seither konstante bundesgerichtliche Praxis dar.(7)

Die neuere bundesgerichtliche Rechtsprechung zum Erlös­begriff erscheint sachgerecht, da diese allein der wirtschaftlichen Realität entspricht. Zwar verändert sich der objektive Wert der Liegenschaft durch die Begründung der Vorbehaltsnutzniessung nicht. Hingegen kommt dem Grundstück aus der Perspektive des Erwerbers als Folge der Vorbehaltsnutzniessung ein geringerer Wert zu, als wenn er die Liegenschaft unbelastet erworben hätte. Der Käufer erwirbt ein mit einer Personaldienstbarkeit belastetes Grundstück und zahlt dementsprechend weniger dafür als für ein unbelastetes Grundstück. Dass in Kaufverträgen häufig der Wert der Personaldienstbarkeit beziffert wird, ändert nichts.(8)

Die Frage ist insbesondere deshalb von hoher praktischer Relevanz, weil sie für die Abgrenzung von grundstückgewinnsteuerpflichtigen Verkäufen zu den gemischten Schenkungen mit Steueraufschub entscheidend ist. Viele Kantone befreien Grundstücksübertragungen von der Grundstückgewinnsteuer, wenn die Differenz zwischen Übertragungswert und Verkehrswert mehr als 25% ausmacht (Kanton Aargau 20%).

Verkehrswert CHF 1’000’000

Wert der Nutzniessung: CHF 300’000

Übernahme der Hypothek (Variante 1): CHF 500’000

Übernahme der Hypothek (Variante 2): CHF 600’000

Variante 1: Übertragungswert CHF 700’000 (= Verkehrswert von CHF 1‘000‘000 abzüglich Wert der Nutzniessung von CHF 300‘000), Gegenleistung CHF 500’000 (infolge Übernahme Hypothek). Die Schenkung beträgt CHF 200‘000 und somit mehr als 25% des Übertragungswerts von CHF 700‘000. Es wird ein Steueraufschub gewährt.

Variante 2: Übertragungswert CHF 700’000 (= Verkehrswert von CHF 1‘000‘000 abzüglich Wert der Nutzniessung von CHF 300‘000), Gegenleistung z.B. CHF 600’000 (infolge Übernahme Hypothek). Die Schenkung beträgt CHF 100‘000 und somit weniger als 25% des Übertragungswerts von CHF 700‘000. Es wird kein Steueraufschub gewährt.

11. Wie ist die steuerliche Behandlung eines Wohnrechts oder einer Nutzniessung?

11.1 Einräumung des Nutzungsrechts

11.1.1 Unentgeltliche Einräumung

Die unentgeltliche Einräumung eines Nutzungsrechts ist in Bezug auf die Erbschafts- und Schenkungssteuer grundsätzlich ein steuerbarer Vermögensanfall. Zu versteuern ist der kapitalisierte Wert der Nutzniessung.

11.1.2 Entgeltliche Einräumung

Wird für die Einräumung eines Nutzungsrechts ein marktkon­formes periodisches Entgelt bezahlt, wird der Wert des Grundstücks nicht beeinträchtigt. Das Grundstück könnte jederzeit zu seinem vollen Wert auf einen Dritten übertragen werden. Das Entgelt ist ähnlich einem Mietverhältnis als Vermögensertrag zu besteuern.

Wird hingegen für die Einräumung eines Nutzungsrechts eine Einmalentschädigung bezahlt, vermindert sich der Wert des Grundstücks um den Wert des eingeräumten Nutzungsrechts. Das Grundstück könnte nicht mehr zu seinem vollen Wert auf einen Dritten übertragen werden. Es handelt sich deshalb um eine steuerneutrale Vermögensumschichtung. Beim Grund­eigentümer ist allerdings der jährliche Wertzuwachs auf dem Grundstück [im Ausmass des jährlich verminderten Werts der Nutzniessung] als steuerbarer Vermögensertrag zu erfassen.(9)

11.2 Laufende Besteuerung des Nutzungsrechts

Der Eigenmietwert ist vom Nutzniessungsberechtigten wie auch vom Wohnrechtsberechtigten nur dann zu besteuern, wenn das Nutzungsrecht unentgeltlich eingeräumt worden ist.

Der Nutzniesser hat (unter Vorbehalt abweichender vertraglicher Vereinbarungen) die Auslagen für den gewöhnlichen Unterhalt und die Bewirtschaftung der Sache sowie die Zinsen für die aufhaftenden Kapitalschulden zu tragen (vgl. Antwort zu Frage 6). Diese Gewinnungskosten kann er von seinem Roheinkommen abziehen.

Ausserordentliche Aufwendungen, wie beispielsweise umfassende Renovationen, gehen zu Lasten des Grundeigentümers. Obwohl dieser kein Einkommen aus dem Grundstück erzielt, kann er die Unterhaltskosten steuerrechtlich von seinem Roheinkommen abziehen.(10)

11.3 Vermögenssteuer

Das Nutzniessungsvermögen ist gemäss Art. 13 Abs. 2 StHG von der nutzniessenden Person zu versteuern. Somit hat der nutzniessungsbelastete Grundeigentümer das sog. «nackte Eigentum» nicht zu versteuern. Der Nutzniesser kann auch die auf dem Nutzniessungsvermögen lastenden Schulden in Abzug bringen, selbst wenn er nicht Schuldner und Pfandgeber ist.

Beim Wohnrecht hat demgegenüber unverändert der Eigen­tümer und nicht der Wohnrechtsberechtigte das Grundstück in seinem Vermögen zu besteuern.

11.4 Wegfall des Nutzungsrechts

11.4.1 Wegfall durch Tod des Berechtigten oder Zeitablauf

Die frühere Praxis des Kantons Aargau besteuerte den Wegfall eines Nutzungsrechts durch Tod des Berechtigten als Vermögensanfall beim dadurch entlasteten und bereicherten Grundeigentümer. Nach neuerer Praxis ist der Wegfall eines Nutzungsrechts kein steuerbarer Vermögensanfall, weil er weder auf gesetzlicher Erbfolge noch auf letztwilliger Verfügung noch auf Schenkung beruht.(11)

11.4.2 Wegfall durch Verzicht des Berechtigten

Der vorzeitige Verzicht des Nutzungsberechtigten – sei es durch Übereinkunft mit dem Grundeigentümer oder durch einseitige Erklärung – führt zu einer Bereicherung des belasteten Grundeigentümers. Dieser Vermögensanfall ist als Schenkung oder andere Zuwendung zu besteuern.(12) Die Höhe des steuerbaren Vermögensanfalls entspricht dem Barwert für die Restlaufzeit des Nutzungsrechts. Die kantonale Praxis ist in dieser Frage allerdings sehr uneinheitlich. Viele Kantone verzichten auf eine entsprechende Besteuerung.

12. Fazit

Die Begründung eines Wohnrechts oder einer Nutzniessung und die Übertragung der selbstbewohnten Liegenschaft an die Kinder sollte gut überlegt sein. Wird die Liegenschaft zum Beispiel als Mehrgenerationen-Haus genutzt, macht diese Form durchaus Sinn. Zielt die Übertragung nur darauf ab, einen allfälligen Vermögensverzehr im Alter aufgrund der hohen Pflegekosten zu vermeiden, sind die negativen Aspekte wie z.B. Streit über die Bezahlung der Kosten, die fehlenden Ergänzungsleistungen, der Gang zum Sozialamt und die Verwandtenunterstützungspflicht zu berücksichtigen.

In jedem Fall ist eine professionelle Beratung bei der Vertragsausgestaltung erforderlich. Nur so lassen sich die steuerlichen Stolperfallen vermeiden und die Streitpunkte aufgrund von klaren Regelungen der Rechte und Pflichten der Beteiligten minimieren.

VOSER RECHTSANWÄLTE

Antonia Stutz

Dr. Philip Funk

Andrea Schifferle

Fiona Sauer

Art. 746 ZGB
Art. 626 Abs. 2 ZGB
2P.253/2001
vgl. dazu FELIX RICHNER/WALTER FREI/STEFAN KAUFMANN/HANS ULRICH MEUTER, Kommentar zum Zürcher Steuergesetz, 3. Auflage, Zürich 2013, § 220 N 40 ff
StE 2000 B 26.26 Nr. 3
vgl. Urteil vom 31. Januar 2002 (= StE 2002 B 25.3 Nr. 28 = StR 2002, 322
vgl. Urteil vom 6. September 2010 (2C_256/2010 = StE 2011 B 25.3 Nr. 37)
vgl. Urteil des Verwaltungsgerichts des Kantons Aargau vom 31. März 2015 (WBE.2014.381)
vgl. zum Ganzen: DIETER EGLOFF, Kommentar zum Aargauer Steuergesetz, N 16 ff. und N 48 ff. zu § 30
EGLOFF, a.a.O., N 80 zu § 30
MARTIN IMTHURN, Kommentar zum Aargauer Steuerrecht, N 7 zu § 148, mit weiteren Hinweisen
IMTHURN, a.a.O., N 11 zu § 148

Die Autorinnen und Autoren dieses Beitrags:

Dr. Philip
Funk
Rechtsanwalt, Notar, eidg. dipl. Steuerexperte
+41 56 203 15 40
p.funk@voser.ch
lic. iur. Antonia
Stutz
Rechtsanwältin, Notarin
+41 56 203 10 22
a.stutz@voser.ch
M.A. Fiona
Gedon
Rechtsanwältin, Notarin
+41 56 203 15 45
f.gedon@voser.ch
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