LEXPRESS Submissionsrecht

Abbruch des Verfahrens, Ausschluss vom Verfahren

Wann darf ein Submissionsverfahren abgebrochen werden? Wann muss es abgebrochen werden? Wie viel Freiheit hat die Vergabebehörde bei der Frage, ob ein Bewerber vom Verfahren ausgeschlossen werden darf? Besteht die Wahl zwischen Verfahrensabbruch und Ausschluss eines Bewerbers? Wie sind Entscheide über den Abbruch und den Ausschluss zu eröffnen? Gibt es Rechtsmittelmöglichkeiten? Das sind häufig gestellte Fragen. Wir möchten Ihnen mit dem nachstehenden Text auf verständliche Weise Antworten geben. Anregungen nehmen wir gerne entgegen unter baurecht@voser.ch. Wir danken Ihnen bestens.

1. Einführung

Das Submissionsdekret des Kantons Aargau (vom 26. November 1996; SubmD) legt fest, in welchen Verfahrensschritten eine öffentliche Beschaffung erfolgen muss: Öffentliche Ausschreibung (§§ 12 ff. SubmD), Einreichung und Öffnung der Angebote (§§ 14 f. SubmD), Bereinigung der Angebote (§ 17 SubmD), Erteilung des Zuschlags (§ 18 SubmD) und Vertragsschluss (§ 21 SubmD). Weitere Verfahrensbestimmungen regeln etwa die Auftrags- und Verfahrensarten (§§ 6 ff. SubmD) oder die Eignungs- und Zuschlagskriterien mitsamt deren Gewichtung (§§ 10 und 18 SubmD).

Aber nicht jedes Submissionsverfahren läuft problemlos ab. Wird beispielsweise der Vergabebehörde kein brauchbares Angebot eingereicht, kann das Verfahren naturgemäss nicht weitergeführt werden (§ 22 Abs. 2 lit. a SubmD). Oder es stellt sich heraus, dass ein Anbieter der Vergabebehörde falsche Auskünfte erteilt hat; ein solches Verhalten muss namentlich aus Rücksicht auf die sich korrekt verhaltenden Mitanbieter mit dem Verfahrensausschluss sanktioniert werden (§ 28 Abs. 1 lit. b SubmD). Derartige «pathologische» Tatbestände bilden das Thema dieses Beitrags. Es soll dabei vorwiegend auf jene Anwendungsfälle näher eingegangen werden, mit denen sich erfahrungsgemäss die Vergabebehörden im täglichen Umgang mit dem Submissionsdekret zu befassen haben.

2. Abbruch des Verfahrens (§ 22 SubmD)

2.1. Vorliegen wichtiger Gründe

Das Submissionsverfahren findet grundsätzlich mit der Erteilung des Zuschlags seinen Abschluss. Den Zuschlag muss das wirtschaftlich günstigste Angebot erhalten (§ 18 Abs. 1 SubmD). Steht die Umsetzung dieser zentralen Vorgabe infrage, verlangt das öffentliche Interesse den Abbruch des laufenden Submissionsverfahrens (aus diesem Grunde ist die Vergabebehörde zum Zuschlag auch nicht verpflichtet [§ 22 Abs. 1 SubmD]). Dem erwähnten öffentlichen Interesse stehen freilich gegenläufige private Interessen gegenüber. Die Anbieter werden etwa geltend machen, ihre Beteiligung an der Submission habe sie einen nunmehr nutzlosen Aufwand gekostet, und zudem würden sie der Chance auf Erhalt des Zuschlags beraubt. Derartige Argumente sind ernst zu nehmen, dürfen doch die Anbieter davon ausgehen, dass die Vergabebehörde ihnen gegenüber ein vertrauenswürdiges, korrektes Verhalten an den Tag legt. Deshalb darf das Submissionsverfahren nicht leichthin abgebrochen werden, sondern nur, wenn die Vergabebehörde aufgrund einer sorgfältigen Abwägung aller Umstände zum Schluss kommt, die öffentlichen Interessen seien stärker zu gewichten als die privaten und eine Weiterführung des Verfahrens sei schlechterdings nicht zumutbar. Selbst dann verfügt sie noch über einen Ermessensspielraum; sie «kann» das Verfahren beim Vorliegen eines wichtigen Grundes abbrechen, muss aber nicht (§ 22 Abs. 2 Ingress SubmD). Ihr Entscheid darf allerdings nicht nach Gutdünken erfolgen. Zur Vermeidung von Willkür kann man sich im Übrigen an eine bewährte «Neunerprobe» halten: Lässt sich der Entscheid auf Abbruch des Verfahrens überzeugend und auch für Dritte nachvollziehbar begründen, wird er mit grosser Wahrscheinlichkeit einer richterlichen Überprüfung standhalten.

2.2. Fallbeispiele

Beispiel 1: Informatikprojekt des Bundes – «überholte Offerten»

Nach Erteilung des Zuschlags kam es zu einer Verzögerung, weil es auch nach längeren Vertragsverhandlungen mit dem Zuschlagsempfänger zu keinem Abschluss kam. Der daraufhin verfügte Verfahrensabbruch wurde mit den raschen Änderungen der technischen und betrieblichen Anforderungen im Informatikbereich begründet, weshalb das ursprünglich aus-geschriebene Projekt überholt sei. Bundesverwaltungs- und Bundesgericht erblickten hierin wie die Vergabebehörde einen wichtigen Grund für den Abbruch des Submissionsverfahrens (BGE 134 II 192 ff.).

Anmerkung: Im Kanton Aargau liessen sich auf den angeführten Fall § 22 Abs. 2 lit. b SubmD (Abbruch «auf Grund veränderter Rahmen- und Randbedingungen») und § 22 Abs. 2 lit. b SubmD (Abbruch, wenn «eine wesentliche Änderung der nachgefragten Leistung erforderlich wurde») anwenden.

Beispiel 2: Eingabe eines einzigen, über dem Kostenvoranschlag liegenden Angebots

In einem Einladungsverfahren (§ 7 Abs. 3 SubmD) wurden fünf spezialisierte Unternehmungen zur Teilnahme am Submissionsverfahren eingeladen. In der Folge ging nur ein einziges, um das Doppelte über dem Kostenvoranschlag liegendes Angebot ein. Die Vergabebehörde entschloss sich daraufhin zur Wahl einer einfacheren Lösung, die auch durch nicht spezialisierte Unternehmungen realisiert werden konnte, und brach das Verfahren ab. Dies wurde als gerechtfertigt beurteilt, vor allem weil für die Vergabebehörde nicht voraussehbar war, dass nur ein Angebot eintreffen würde (Zürcher Fall).

Anmerkungen: Das aargauische Submissionsdekret enthält in § 22 Abs. 2 keinen entsprechenden Abbruchgrund. Das ist indessen kein Hinderungsgrund, denn § 22 Abs. 2 SubmD enthält keine abschliessende Aufzählung der Abbruchgründe («[…] insbesondere wenn […]»). Der Fall zeigt sodann, dass die Voraussehbarkeit der Entwicklung generell ein wichtiges Merkmal dafür bildet, ob das Verfahren abgebrochen werden darf.

Beispiel 3: Verdacht auf eine unzulässige Preisabsprache

Die Vergabebehörde brach das Verfahren wegen des dringenden Verdachts, dass sich sämtliche Anbieter an einer unzulässigen Preisabsprache beteiligt hatten, um einem bestimmten Mitbewerber zum Auftrag (Lieferung einer Bühnenabschlusswand) zu verhelfen, ab. Das vom Zuschlagsempfänger angerufene aargauische Verwaltungsgericht stellte zunächst klar, dass der strikte Nachweis einer Preisabsprache kaum je erbracht werden könne und deshalb der ausreichend begründete Verdacht genügen müsse. Diese Voraussetzung erachtete das Gericht als erfüllt. Als massgebendes Indiz wurde dabei gewertet, dass eine von der Vergabebehörde eingeholte Vergleichs-offerte wesentlich günstiger war. Der Verfahrensabbruch wurde deshalb als rechtmässig beurteilt (AGVE 1999, S. 310 ff.).

Anmerkungen: Im angeführten Fall haben sich sämtliche Submittenten fehlerhaft verhalten. Wären es nur einzelne davon gewesen, hätten diese aus dem Verfahren ausgeschlossen werden müssen (§ 28 Abs. 1 lit. e SubmD; siehe hinten Ziff. 3.1.). Ein Verfahrensabbruch wäre in einem solchen Fall nicht zulässig, weil sonst die korrekt handelnden Anbieter in vergaberechtswidriger Weise diskriminiert würden. Zudem: Heute könnte sich die Vergabebehörde auch auf § 22 Abs. 2 lit. c SubmD (im Jahr 1999 noch nicht in Kraft) abstützen, wonach es einen wichtigen Grund bildet, wenn «die eingereichten Angebote keinen wirksamen Wettbewerb garantieren».

2.3. Ungenügende Gründe für einen Verfahrensabbruch

Keinen wichtigen Grund zum Abbruch eines Submissionsverfahrens bilden etwa die Absicht, einen unerwünschten Verfahrensausgang abzuwenden;

  • die konjunkturbedingte Erwartung günstigerer Preise (bereits eingetretene veränderte Rahmen- oder Randbedingungen, die nicht voraussehbar waren, können dagegen einen wichtigen Grund abgeben [§ 22 Abs. 2 lit. b SubmD]);
  • Umstände, die schon bei der Einleitung des Verfahrens voraussehbar waren, z. B. wenn die Finanzierung nicht sichergestellt war und hierauf in den Ausschreibungsunterlagen nicht klar hingewiesen wurde;
  • eine geringe Punktedifferenz bei der Auswertung der eingegangenen Offerten.

2.4. Schadenersatzfolgen

Wie erwähnt (vorne Ziff. 2.1.) bedarf es für den Abbruch des Submissionsverfahrens eines wichtigen Grundes. Lässt die Vergabebehörde diese Anforderung unbeachtet, kann sie von den Anbietern haftbar gemacht werden (§ 38 Abs. 1 SubmD). Ihre Haftung ist allerdings auf die Kosten beschränkt, welche dem Anbieter im Vergabe- und Rechtsmittelverfahren entstanden sind (§ 38 Abs. 2 SubmD), beispielsweise also Anwaltskosten. Die Vergabebehörde kann darüber hinaus auch zivilrechtlich belangt werden, wenn eine Verletzung der vorvertraglichen Treuepflicht nachgewiesen ist (AGVE 2003, S. 251 f.); die Messlatte liegt hier allerdings relativ hoch. Von selbst versteht sich im Übrigen, dass es nicht anginge, beim Abbruchentscheid auf allfällige finanzielle Konsequenzen zu «schielen».

3. Ausschluss vom Verfahren (§ 28 SubmD)

Der Ausschluss vom Verfahren ist eine Sanktion. Sie trifft den Anbietenden; sein Angebot scheidet aus dem Submissionsverfahren aus. Das Verfahren wird ohne ihn fortgeführt, wird also nicht abgebrochen.

3.1. Unterschiede zum Abbruch des Verfahrens

Der Abbruch des Submissionsverfahrens darf nur aus wichtigen Gründen erfolgen (vorne Ziff. 2.1.), wogegen beim Ausschluss vom Verfahren das «Vorliegen genügender Gründe» ausreicht (§ 28 Abs. 1 Satz 1 SubmD). Im Weiteren ist § 28 SubmD keine «Kann»-Bestimmung wie § 22 SubmD, d. h. es steht grundsätzlich nicht im Ermessen der Vergabebehörde, einen Ausschluss zu verfügen oder nicht; sind die einschlägigen Voraussetzungen erfüllt, ist sie vielmehr zum Ausschluss verpflichtet.

Die wichtigen Gründe beim Verfahrensabbruch betreffen hauptsächlich äussere Umstände, bei welchen kein Verschulden auf der Anbieterseite im Spiel ist (z. B. die Veränderung von Rahmen- oder Randbedingungen [§ 22 Abs. 2 lit. b SubmD]). Beim Ausschluss vom Verfahren geht es hingegen in den meisten Fällen um ein Fehlverhalten Einzelner (Erteilung falscher Auskünfte usw.), weshalb das Submissionsdekret denn auch folgerichtig von «Sanktionen» spricht (Randtitel von § 28 SubmD).

3.2. Abgrenzungsfragen zwischen Verfahrensausschluss und Offertenbereinigung

Die Rechtswirklichkeit ist allerdings zu komplex, als dass man es bei den erwähnten theoretischen Hinweisen (Ziff. 3.1.) bewen-den lassen dürfte. Zwingenden Charakters kann ein Ausschluss nur sein, wenn und soweit klar feststellbar ist, ob sich ein Tatbestand erfüllt hat, wie dies beispielsweise in Bezug auf Zahlungspflichten der Anbieter zutrifft (§ 28 Abs. 1 lit. c SubmD). Im wohl wichtigsten Anwendungsfall dagegen, nämlich jenem der Verletzung wesentlicher Verfahrensvorschriften (§ 28 Abs. 1 lit. g SubmD), stellen sich heikle Abgrenzungsfragen. Sanktioniert wird u. a. die «Unvollständigkeit des Angebots» und damit eine Verletzung von § 14 Abs. 1 SubmD, wonach die Anbieter ihr «Angebot (…) vollständig (…) einreichen» müssen. Es ist folglich Pflicht des Anbieters, ein vollständiges, klar und unmissverständlich formuliertes Angebot einzureichen, das keiner zusätzlichen Abklärungen oder Erläuterungen bedarf. Auf der anderen Seite ist die Vergabebehörde im Rahmen der Offert-bereinigung (§ 17 Abs. 1–3 SubmD) grundsätzlich befugt, fehlende Angaben – mit der gebotenen Zurückhaltung – durch Rückfrage beim betreffenden Anbieter nachträglich noch zu beschaffen (AGVE 2005, S. 254). Damit stellt sich die Frage, wann hier die «rote Linie» als überschritten zu gelten hat. Die Vergabebehörde sieht sich im Zwiespalt zwischen zwei Grundprinzipien: Das Gebot der Gleichbehandlung aller Anbieter (§ 1 Abs. 1 Satz 2 SubmD) spricht für eine harte Praxis, um eine Diskriminierung der übrigen Anbieter zu verhindern. Dem steht unter Umständen der Verfassungsgrundsatz der Verhältnismässigkeit entgegen, der es verbietet, einen Anbieter schon wegen untergeordneter Mängel der Offerte auszuschliessen. In diesem Spannungsfeld ist es ein Ermessensentscheid der Vergabebehörde, ob ein unvollständiges Angebot von vornherein auszuscheiden ist oder aber bereinigt werden darf (AGVE 2005, S. 254). Der aus § 28 Abs. 1 lit. g SubmD fliessenden Pflicht zur Ausscheidung eines unvollständigen Angebots kommt somit keine absolute Bedeutung zu. Die Vergabebehörde hat dies-bezüglich die schwierige Aufgabe, in Beachtung der konkreten Umstände des Einzelfalls willkürfrei die richtige Entscheidung zu treffen. Man erinnere sich in diesem Zusammenhang an die Hilfestellung durch eine gute, durchdachte Entscheid-begründung (vorne Ziff. 2.1.).

3.3. Fallbeispiele

Beispiel 1: Fehlen der verlangten Selbstdeklaration

Die Vergabebehörde schloss einen Anbieter aus, weil er die in den Ausschreibungsunterlagen verlangte Selbstdeklaration nicht eingereicht hatte. Diese hatte u. a. Angaben zum Unternehmen, zum Personalbestand und -einsatz, zu den für die Ausführung des Auftrags verantwortlichen Personen, zur Ausführungszeit, zum Qualitätsmanagement, zu den Referenzen usw. zu enthalten. Strittig blieb, ob der Anbieter oder die Vergabebehörde das Fehlen zu verantworten hatte, was das Verwaltungsgericht allerdings als letztlich irrelevant betrachtete. Als massgeblich erachtete das Gericht vielmehr rein objektive Umstände. Ins Gewicht fiel zunächst, dass der Anbieter seiner Offerte ein einschlägiges Zertifikat, eine Referenzliste, ein Organigramm, Angaben zur Personalstruktur und zum Maschinenpark sowie ein Firmenleitbild beigelegt hatte. Insgesamt erschien das Angebot vollständig und sorgfältig abgefasst. Soweit die Vergabebehörde zusätzliche Angaben als erforderlich erachtete, hätte sie diese im Rahmen der technischen Bereinigung rasch und ohne Aufwand beim Anbieter noch erheben können (§ 17 Abs. 2 SubmD); dass sie es nicht tat, war überspitzt formalistisch. Der Ausschluss vom Verfahren war deshalb nicht gerechtfertigt (AGVE 2005, S. 252 ff.).

Beispiel 2: Fehlen eines verlangten technischen Berichts (Gegenbeispiel)

Ebenfalls aus der aargauischen Praxis stammendes Gegen-beispiel: Entgegen den Submissionsunterlagen hatte es der Zuschlagsempfänger im Rahmen eines Bauauftrags versäumt, seiner Offerte einen technischen Bericht mit Angaben über den Bauvorgang, ein Bauprogramm, Referenzen sowie nähere Angaben über personelle Kapazität und vorhandene Infrastruktur beizufügen. Obwohl ein solches Angebot auch unter dem Gesichtspunkt des behördlichen Ermessens als in wesentlichen Punkten unvollständig zu beurteilen gewesen wäre, gestand die Vergabebehörde dem Anbieter telefonisch zu, dass er das Bauprogramm nachträglich noch erstellen und einreichen könne. Die Nachreichung des verlangten technischen Berichts wurde ihm gar «aufgrund fehlender Komplexität des Bauvorhabens» erlassen. Dieses Vorgehen war vergaberechtswidrig. Abgesehen davon, dass eine solche Herabsetzung der Anforderungen während eines laufenden Submissionsverfahrens das Gleichbehandlungsgebot verletzt, waren die Grenzen einer zulässigen Offertbereinigung hier weit überschritten; ob ein Anbieter über die zur Auftragserfüllung erforderliche Kapazität und Erfahrung verfügt, muss aus dem Angebot selber ersichtlich sein. Ein Ausschluss des Zuschlagsempfängers vom Verfahren wäre deshalb unabdingbar gewesen (AGVE 1999, S. 341 ff.).

Anmerkung: Die Vergabebehörde wollte den Ausschluss offensichtlich darum vermeiden, weil der Zuschlagsempfänger das weitaus günstigste Angebot eingereicht hatte. Es liegt auf der Hand, dass dies ein sachfremdes Motiv ist.

Beispiel 3: Beschränkung auf Unternehmervariante

Reicht ein Anbieter entgegen § 16 Abs. 3 SubmD kein dem Leistungsverzeichnis entsprechendes Hauptangebot, sondern nur eine Unternehmervariante ein, ist dies als Verletzung einer wesentlichen Formvorschrift im Sinne von § 28 Abs. 1 lit. g SubmD zu werten. Eine solche Offertversion ist vom Verfahren auszuschliessen (AGVE 2001, S. 336).

Beispiel 4: Gefahr der Wettbewerbsverzerrung

Wie ist zu verfahren, wenn Angebote miteinander verbundener Unternehmen eingereicht werden, was naturgemäss der Frage nach einer Wettbewerbsverzerrung ruft? Im konkreten Fall war X. beim Anbieter A. Verwaltungsratsmitglied, beim Anbieter B. auch Mitglied der Geschäftsleitung. Die Federführung oblag ihm ausschliesslich beim Anbieter B. Das Verwaltungsgericht schloss nicht aus, dass X. als Verwaltungsrat vom Inhalt der Offerte A. Kenntnis erhalten und dies bei der Erstellung der Offerte B. ausgenützt haben könnte. Trotzdem verneinte es eine Pflicht der Vergabebehörde zum Ausschluss des Anbieters B. vom Submissionsverfahren. Zum einen hatte der Anbieter A. die Teilnahme des Anbieters B. akzeptiert und damit allfällige Nachteile bezüglich der Offertstellung in Kauf genommen. Zum andern bestanden keine Anzeichen, dass sich die beiden Anbieter A. und B. gegenseitig abgesprochen hatten. Andernfalls hätte unter diesem Titel geprüft werden müssen, ob die getroffenen Abreden geeignet waren, «einen wirksamen Wettbewerb (zu) beseitigen oder erheblich (zu) beeinträchtigen» (§ 28 Abs. 1 lit. e SubmD); ein Verfahrensausschluss aus diesem Grund würde allerdings voraussetzen, dass die Mitanbieter durch die erwähnte personelle Verflechtung nachweisbar «einen nennenswerten Wettbewerbsnachteil» erleiden (AGVE 1998, S. 364 ff.).

Anmerkungen: Der Fall zeigt, dass auch die Anwendung von § 28 Abs. 1 lit. e SubmD der Vergabebehörde einen weiten Ermessensspielraum belässt (siehe vorne Ziff. 3.1.2.). Zudem: In einer Nebenbemerkung weist das Verwaltungsgericht darauf hin, dass die in § 28 Abs. 1 SubmD enthaltene Aufzählung von Ausschlussgründen nicht abschliessend ist. Wie bei § 22 Abs. 2 SubmD wird dies mit dem Wort «insbesondere» zum Ausdruck gebracht (siehe vorne Ziff. 2.2.2.).

Beispiel 5: Schwarzarbeit

Aufträge dürfen nur an Anbieter vergeben werden, welche die Bestimmungen über Arbeitsschutz und -bedingungen einhalten (§ 3 Abs. 1 lit. a SubmD). Ein Anbieter, der Schwarzarbeiter beschäftigt, verstösst gegen diese Bestimmung und erfüllt damit den Ausschlussgrund von § 28 Abs. 1 lit. d SubmD. Da Schwarzarbeit begrifflich auch die Erzielung von Arbeitseinkommen, von denen weder Steuern noch Sozialabgaben entrichtet werden, in sich schliesst, fällt § 28 Abs. 1 lit. c SubmD als weiterer Ausschlussgrund in Betracht (AGVE 2000, S. 315 ff.).

4. Erfordernis der Verfügungsform

Der Abbruchentscheid ist sämtlichen Anbietern «sofort» mittels einer Verfügung mitzuteilen (§§ 22 Abs. 3 und 24 Abs. 2 lit. e SubmD). Die Ausschlussverfügung muss hingegen lediglich dem vom Verfahren ausgeschlossenen Anbieter zugestellt werden (§ 24 Abs. 2 lit. d SubmD). Die Verfügungen müssen kurz begründet sein (§ 20 Abs. 1 SubmD) und eine Rechtsmittelbelehrung enthalten, aus welcher der Verfügungsadressat ersieht, dass die Verfügung innert zehn Tagen seit der Eröffnung direkt beim Verwaltungsgericht anfechtbar ist (§§ 24 Abs. 1 und 25 Abs. 1 SubmD).

VOSER RECHTSANWÄLTE

Lic. iur. Rudolf Weber

Dr. Lukas Pfisterer

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