Lexpress «Immer wieder die Attikas…»

Attikas sind auf Flachdächern aufgesetzte, zusätzliche und verkleinerte Geschosse.(1) Diese einfache Umschreibung täuscht darüber hinweg, dass Attikas immer wieder zu rechtlichen Fragen führen. Wie gross darf ein Attika sein (Verhältnis zu den Vollgeschossen, Einbezug von Balkonen und Loggias in die Vollgeschosse), was zählt zur Attikagrundfläche (Dach­vorsprünge, Überdachungen, Sonnenstoren, Sonnensegel, Rankgerüste, Pergolas, Whirlpools), welche Schranken gibt es für die Anordnung der Attikas (Rückversatz gegenüber den Vollgeschossen, Verhältnis zur Fassadenhöhe, Auskragung des Attikas, übermässige Beeinträchtigung der Nachbargrund­stücke)? Die Fragestellungen sind so vielfältig wie die Bauprojekte selbst. Wir zeigen die aktuelle Rechtslage in unserem LEXpress Baurecht auf.

1. Rechtliche Grundlage

Die Attikageschosse als besondere Dachgeschosse (§ 24 BauV) sind in Ziff. 6.4 Anhang IVHB und § 25 BauV geregelt (Begriff(2), Grösse, Anordnung). Der Regierungsrat hat per 1. November 2021 eine neue Fassung von § 25 BauV in Kraft gesetzt. Der vorliegende LEXpress behandelt nur diese neueste Fassung von § 25 BauV.(3) Er klammert insbesondere § 16a ABauV aus, obwohl diese Fassung in all den Gemeinden, welche die IVHB noch nicht eingeführt haben, weiterhin gilt. Auf kommunale Regelungen in den Bau- und Nutzungsordnungen gehen wir im Allgemeinen nicht ein. Solche Regelungen bleiben also vorbehalten und müssen im Einzelfall beachtet werden.

2. Verhältnis von Attikagrundfläche und Vollgeschossfläche (§ 25 Abs. 1 BauV)

Attikas sind verkleinerte Geschosse: Sie müssen optisch als verkleinertes (Dach-) Geschoss in Erscheinung treten. Die Attika­grundfläche darf deshalb höchstens 60 % «der Fläche eines Vollgeschosses» betragen (§ 25 Abs. 1 BauV). Es darf kleiner, aber nicht grösser sein.

2.1 Massgebendes Vollgeschoss

Die Bauverordnung legt nicht fest, welches Vollgeschoss für die Bemessung der Attikagrundfläche massgebend ist. Sie bestimmt, die Attikagrundfläche dürfe höchstens 60 % «der Fläche eines Vollgeschosses» betragen. Die Formulierung geht wohl vom üblichen Fall aus, dass alle Vollgeschosse gleich gross sind.

Mit der «Fläche eines Vollgeschosses» ist die Grundfläche und nicht etwa die anrechenbare Geschossfläche gemäss § 32 Abs. 2 BauV gemeint.

2.2 Gehören Balkone, Loggias und Erker zur Vollgeschossfläche?

Balkone sind vorspringende, auskragende Bauteile, welche die Fassadenflucht durchstossen und damit ausserhalb des Gebäudevolumens liegen. Balkone gehören nach ausdrück­licher Regelung nicht zur Vollgeschossfläche (§ 25 Abs. 1 Satz 2 BauV). Das gilt auch für vollverglaste Balkone (siehe ausdrücklich § 25 Abs. 1 Satz 2 BauV) und Wintergärten ausserhalb der Fassadenflucht.

Loggias hingegen sind in das Gebäudevolumen eingezogen, sie liegen hinter der Fassadenflucht und gehören damit zu den Vollgeschossflächen (§ 25 Abs. 1 BauV).(4)

Massgebend für die Unterscheidung von Balkonen und Loggias ist somit die Fassadenflucht (Ziff. 3.1 Anhänge IVHB). Allerdings gelten in diesem Zusammenhang weder Balkone noch Loggias als fassadenbildend, selbst wenn sie nicht unter die Definition der vorspringenden Gebäudeteile(5) bzw. der rückspringenden Gebäudeteile(6) fallen: Sie sind unabhängig davon, ob sie vorspringende bzw. rückspringende Gebäudeteile sind, nicht an die Vollgeschossfläche anzurechnen. Ebenso wenig ist die energetische Gebäudehülle massgebend, abweichend von der früheren Praxis in einigen Gemeinden.

Erker gehören zur Grundfläche eines Vollgeschosses. Es handelt sich dabei zwar um einen Vorbau, aber er ist vollständig in das Gebäudeinnere integriert, wird bewohnt und ist beheizt. Die Wohnfläche wird durch den Erker vollwertig vergrössert.

2.3 Ungleich grosse Vollgeschosse

Was gilt, wenn die Vollgeschosse unterschiedlich grosse Grundflächen haben? Wenn also beispielsweise das Erdgeschoss als Sockelgeschoss grösser ist als die oberen Vollgeschosse oder das oberste Vollgeschoss gegenüber den darunterliegenden auskragt, also grösser ist?

In solchen Fällen ist gemäss Praxis ein Ausgleich zu schaffen. Das ist nur einzelfallweise möglich und stark vom jeweili­gen Bauprojekt abhängig. Ausgangspunkt ist aber stets die optische Wirkung, muss es sich beim Attika doch um ein verkleinertes Geschoss handeln. Ein sachgerechter Ausgleich kann beispielsweise erfolgen, wenn die Durchschnittsflächen der Vollgeschosse als Basis für die Berechnung der zulässigen Attikagrundfläche genommen wird.(7)

3. Was gehört zur Attikagrundfläche?

Das kantonale Recht regelt im Allgemeinen nicht, was zur Attikagrundfläche zu zählen ist. Es enthält eine einzige Bestimmung: Dachvorsprünge bis 60 cm zählen nicht zur Attika­grundfläche (§ 25 Abs. 2 BauV). Zur Frage, was zur Attika­grundfläche zählt, gibt es deshalb zahlreiche Entscheide der kantonalen Behörden.

Als Grundsätze sind festzuhalten: Bei der Beurteilung, ob ein Attikageschoss ein verkleinertes Geschoss im Sinne von § 25 BauV ist, sind der optische Eindruck und die Funktionalität der einzelnen Bauteile massgebend.(8) Das bedeutet: Alle Bauteile, welche optisch das Attikageschoss vergrössern und/oder eine erweiterte Nutzung der Terrasse ermöglichen (inklusive Witterungsschutz für die Bewohner oder die Möblierung), müssen innerhalb der zulässigen Attikagrundfläche liegen.(9)

3.1 Dachvorsprünge

Gemäss § 25 Abs. 2 BauV sind Dachvorsprünge bis 60 cm nicht an die Attikagrundfläche anrechenbar. Die Vordächer dienen vorab dem Fassadenschutz und dem architektonischen Ausdruck. Hingegen sollen sie nicht der besseren Nutzung der ­Terrasse dienen. Deshalb sind die Dachvorsprünge, welche nicht an die Attikagrundfläche angerechnet werden müssen, auf 60 cm beschränkt. Das bedeutet nicht, dass die Dachvorsprünge nicht tiefer sein dürfen. Dann gelten sie jedoch als Vordächer und verlieren das Privileg der Nichtanrechnung an die Attikagrundfläche (siehe Ziff. 3.2 hier unten).

3.2 Vordächer, Überdachungen

Vordächer sind tiefer als Dachvorsprünge, welche bis 60 cm betragen dürfen. Wird das Mass von 60 cm überschritten, gelten die Dachvorsprünge begrifflich als Vordächer. Sie ermöglichen – begrifflich – eine bessere Nutzung der Terrasse, weshalb sie nach der Rechtsprechung voll an die Attikagrundfläche anzurechnen sind.(10) Weist ein Vordach eine Tiefe von 1.30 m auf, ist somit die gesamte, darunter liegende Terrassenfläche an die Attikagrundfläche anzurechnen, nicht bloss die Fläche unter dem um 70 cm vergrösserten Vordach. Dasselbe gilt für jegliche Art von festen Überdachungen der Terrasse, selbst wenn diese Öffnungen aufweisen.(11)

3.3 Sonnenstoren, Sonnenmarkisen, Sonnensegel

Sonnenstoren, Sonnenmarkisen, Sonnensegel und Ähnliches sind an die Attikagrundfläche anzurechnen, wenn sie die Nutzung der Terrasse erweitern.(12) Klar anrechenbar sind sogenannt geführte Markisen, welche feste Führungsschienen und Stützpfosten aufweisen. Aber auch klassische Sonnenschutzsegel mit fixen Befestigungspunkten, welche die Terrasse über­dachen und (elektrisch) ein-/ausfahrbar sind, werden angerechnet. Als Faustregel gilt, dass eine Anrechnung an die Attika­grundfläche erfolgt, sobald eine fixe Konstruktion besteht, welche beständig gegen Wind und Wetter ist. Unerheblich ist die Beschaffenheit des Stoffes, da dieser leicht ausgetauscht werden kann.

Bietet der Sonnenschutz auch Schutz gegen Wettereinflüsse, führt dies, nach Ansicht des Verwaltungsgerichts, zu einer Volumenerweiterung des Attikageschosses, weshalb er ­innerhalb der zulässigen Geschossfläche erstellt werden muss. Massgeblich, ob eine Sonnenschutzkonstruktion angerechnet wird oder nicht, ist in erster Linie die Frage, ob der Sonnenschutz auch vor Schlechtwetter schützt und eine erweiterte Terrassen­nutzung (bei Schlechtwetter, Schutz der Möblierung etc.) ermöglicht. Der Sonnenschutz darf lediglich gegen Sonne schützen, nicht auch gegen Witterung.(13) Die Anrechnung erfolgt unabhängig davon, ob der Sonnenschutz stützenfrei oder auf andere Hilfskonstruktion angewiesen ist, unabhängig von der Aus­ladung, unabhängig von der Widerstandsfähigkeit gegen Wind (Windklasse) und der Wasserdichtigkeit. Keine Anrechnung an die Attikagrundfläche erfolgt nur dann, wenn kein Witterungsschutz resultiert oder dieser zumindest nicht weiter geht als mit einer Gelenkarmmarkise oder ­Pergola («Rankgerüst»). Da sehr schnell ein erweiterter Witterungsschutz resultiert (Regen, Wind etc.), sind Sonnenschutzkonstruktionen in der Regel an die Attikagrundfläche anzurechnen. Der Stoff muss auch nicht wasserfest sein, sondern es reicht, wenn dieser bereits wasserabweisend ist und nur für eine beschränkte Zeit ein Witterungsschutz bietet. Die Abgrenzungen, wann eine Anrechnung an die Attikagrundfläche erfolgen muss, sind fliessend und nicht immer nachvollziehbar.(14)

3.4 Rankgerüste, Pergolas, Wäscheleinen etc.

Im Unterschied zu den Sonnensegeln hat die Rechtsprechung sogenannte Rankgerüste nicht der Attikagrundfläche zugeschlagen.(15) Ein reines Rankgerüst, an welchem Pflanzen «hochklettern» können, ermöglicht keine erweiterte Nutzung der Terrassenfläche. Gemäss Verwaltungsgericht ist die bescheidene Schutzwirkung nur auf die Sommerzeit beschränkt und nicht mit einem Vordach zu vergleichen. Am ehesten sei ein Rankgerüst mit einem schattenspendenden Baum oder Strauch zu vergleichen.

3.5 Wintergärten, Sitzplatzkonstruktionen, Windschutzeinrichtungen (Wände, Verglasungen) und Ähnliches

Wintergärten, unbeheizte Terrassenverglasung mit schliess- und verschiebbaren Glas-Seitenwänden und Ähnliches ermöglichen eine erweiterte Nutzung der Terrassenfläche, weshalb sie klarerweise zur Attikagrundfläche zu zählen sind.(16)

3.6 Pflanzen

Grundsätzlich gilt, dass die Terrassenfläche eines Attika­geschosses nicht freigehalten werden muss. So betrachtet das Verwaltungsgericht die Begrünung eines Attikageschosses als unproblematisch, weshalb eine mit dem Garten vergleichbare Attikageschossnutzung nicht ausgeschlossen ist und zu keiner Anrechnung an die Attikagrundfläche führt.(17) Ebenso dürfen etwa grössere Töpfe und Beete, auch entlang des gesamten Terrassenrandes, aufgestellt werden, ohne dass dies die Attikagrundfläche verändern würde. Allerdings ist wohl ein gewöhnlicher Garten zu unterscheiden von einer Bepflanzung der Terrasse mit einer manns- oder sogar geschoss­hohen Hecke. Das zeigen Entscheide zur Baubewilligungspflicht von Pflanzen(18): So qualifizierte das Bundesgericht eine mannshohe Eibenhecke auf einem Attikageschoss eines dreigeschos­sigen Hauses als baubewilligungspflichtig und erwog, dass die Hecke aufgrund ihrer Grösse, ihrer Position am obersten Dachrand und ihrer Verdichtung – gleich einem Dachaufbau – den optischen Eindruck einer entsprechenden Erhöhung des ­Gebäudes bewirke. Unter diesen Umständen führe die auf dem Dach gepflanzte Hecke zu einer erheblichen Veränderung der äusser­lichen Raumerscheinung des ­Gebäudes.(19) Nach unserer Auffassung gehört eine solche Bepflanzung an die Attikagrund­fläche angerechnet, das Attikageschoss tritt dann nicht mehr als verkleinertes, aufgesetztes Geschoss in Erscheinung.

3.7 Schwimmbecken und Whirlpools

Ein Schwimmbecken und ein Whirlpool muss nicht an die Attika­grundfläche angerechnet werden, wenn sie die Brüstung auf der Terrasse nicht oder von aussen nicht wahrnehmbar überragen.(20) Begründet wird das damit, dass ein Schwimm­­becken und ein Whirlpool keinerlei Witterungsschutz bieten und funktional nicht mit einem geschützten Raum vergleichbar sind. Bei der 60 %-Regelung geht es insbesondere darum zu verhindern, dass das Attikageschoss optisch als Vollgeschoss in Erscheinung tritt. Überragt der Pool die Abgrenzung der ­Terrassenfläche nicht und ist von aussen (ausser gegebenen­falls von oberhalb) nicht wahrnehmbar, ist die Erstellung un­problematisch und es erfolgt keine Anrechnung an die Attika­fläche. Weder vergrössert der Pool das sichtbare Volumen des Attikageschosses noch bietet er weitergehenden Schutz oder führt dadurch zu einer erweiterten Nutzungsmöglichkeit der Terrasse. Eine Poolhöhe von ca. 1 m erscheint in Anbetracht der vorgeschriebenen Brüstungshöhe von ebenfalls 1 m als unproblematisch.(21) Ein Pool darf daher auf einer Attikaterrasse realisiert werden, ohne dass seine Fläche an die Attikagrundfläche anzurechnen ist.

4. Platzierung (Anordnung) des Attikas (§ 25 Abs. 1bis BauV)

Die Bauverordnung enthält mehrere Regelungen zur Anordnung der Attikageschosse. Diese Anordnungen beziehen sich auf das Verhältnis zum darunterliegenden Vollgeschoss (siehe Ziff. 6.4 Satz 2 Anhang 1 IVHB und § 25 Abs. 1bis Satz 1 BauV).

4.1 Rückversatz gegenüber dem darunterliegenden Vollgeschoss

Die IVHB bestimmt, dass das Attikageschoss bei mindestens einer ganzen Fassade gegenüber dem darunterliegenden Geschoss um ein festgelegtes Mass zurückversetzt sein muss (Ziff. 6.4 Anhänge IVHB). § 25 Abs. 1bis BauV hat das umgesetzt und legt fest, dass das Attikageschoss «auf einer Länge- oder Breitseite mindestens um das Mass seiner Höhe gegenüber dem darunterliegenden Geschoss» zurückversetzt sein muss.(22) Diese Regelung verbietet eine teilweise Zurückversetzung pro Fassade, auch wenn das Mass der Zurückversetzung insgesamt einer ganzen Fassadenlänge des darunterliegenden Geschosses entspricht, denn Ziff. 6.4 Anhang 1 IVHB schreibt ausdrücklich den Rückversatz «bei mindestens einer ganzen Fassade» vor.(23)

4.2 Verhältnis zur Fassadenhöhe (§ 21a lit. c BauV)

Gemäss Ziff. 6.4 Anhänge IVHB i.V.m. § 25 Abs. 1bis BauV dürfen Attikageschosse auf drei Seiten fassadenbündig sein. An diesen Stellen entspricht die Fassadenhöhe der Gesamthöhe: Betragen beispielsweise die zulässige Fassadenhöhe 10 m und die Gesamthöhe 13.2 m, müssen die fassaden­bündigen Attikageschosse beide Masse einhalten. Weist die fassadenbündige Seite des Attikageschosses eine Gesamthöhe von 13.2 m auf, hält sie dort die Fassadenhöhe von 10 m nicht ein. Wo die Bau- und Nutzungsordnungen keine Vorschrift zur Auflösung dieses Konflikts enthielten, mussten die Attika­geschosse teils von allen vier Fassaden zurückversetzt werden. Allerdings war nicht geklärt, wie gross dieser Rückversatz sein musste, damit die Fassadenhöhe von der Gesamthöhe unterschieden werden konnte. War der Rückversatz zu klein, konnte argumentiert werden, es handle sich um eine rechtsmissbräuchliche Lösung zur Verhinderung, dass die Gesamthöhe massgebend ist. War er zu gross, behinderte das eine vernünftige Nutzung der Terrasse. Nach unserer Auffassung genügte es, wenn der Rückversatz so gross war, dass er optisch wahrnehmbar blieb. Dabei konnte auch ein Material- oder ein Farbwechsel für das Attika unterstützend wirken.

§ 21a lit. c BauV, der per 1. November 2021 in Kraft ge­treten ist, löst den Konflikt auf eine sehr unglückliche Art: Er bestimmt, dass die Attikageschossfassaden, die um das Mass ihrer Höhe zurückversetzt sind, ohne Einfluss auf die Berechnung der Fassadenhöhe sind.(24) Wo also die Fassadenhöhe um 3.2 m (siehe § 22 Abs. 2 BauV) kleiner ist als die Gesamthöhe, kann es zur Situation kommen, dass die Attikageschosse von allen vier Fassaden um ihre Gesamthöhe zurückversetzt sein müssen. Das dürfte an vielen Orten Attikageschosse verunmöglichen. Verschärft wird die Situation dadurch, dass die kantonale Regelung in § 21a lit. c BauV wohl kommunale Regelungen, welche den Konflikt auf eigene und gute Art gelöst haben, verdrängt, weil er abschliessendes kantonales Recht darstellt.

4.3 Übermässige Beeinträchtigung der Nachbargrundstücke (§ 25 Abs. 2 Satz 2 BauV)

Attikageschosse dürfen – abgesehen von den hier oben beschriebenen Anordnungsvorschriften – frei angeordnet werden, soweit sie die Nachbargrundstücke nicht übermässig beeinträchtigen (§ 25 Abs. 2 Satz 2 BauV). In der Praxis geht es um die zusätzliche, von einem Attika verursachte Beschattung. Übermässig ist die Beschattung, wenn das Attika das Nachbargebäude an den mittleren Wintertagen länger als zwei Stunden beschattet. Wie stark die von der frei gewählten Anordnung des Attikas verursachte Beschattung ist, ist mittels eines ­Schattendiagramms zu ermitteln.(25) Ist die Beschattung über­mässig, ist die Umplatzierung des Attikas zu prüfen. Das Attika ist aber nur dann anders anzuordnen, wenn hierfür eine sinnvolle Möglichkeit besteht und die Umplatzierung die Beschattung deutlich reduziert. Das DBVU ging bei einer Reduktion der Beschattung um 8 Minuten davon aus, dass eine solche nicht ausreiche für eine Umplatzierung.(26)

4.4 Auskragung des Attikas

Gemäss verwaltungsgerichtlicher Rechtsprechung zu § 16a ABauV muss das Attikageschoss vollständig auf dem ­darunterliegenden Vollgeschoss liegen und darf nicht über dieses hinausragen. (27) Dieses Erfordernis leitete das Verwaltungsgericht aus der Definition von § 16a Abs. 1 ABauV ab, wonach es sich beim Attikageschoss um ein auf Flachdachbauten aufgesetztes Geschoss handelt. Auch Ziff. 6.4 Anhang 1 IVHB definiert das Attikageschoss als ein auf Flachdächern aufgesetztes Geschoss, womit das Attikageschoss auch nach neuem Recht respektive gemäss den Baubegriffen der lVHB vollständig auf dem darunterliegenden Vollgeschoss liegen muss und nicht über dieses hinausragen darf. Auch die bloss teilweise Überragung eines Gebäuderücksprungs beim ­darunterliegenden Vollgeschoss kann nicht als zulässig erachtet werden.(28)

VOSER RECHTSANWÄLTE

Dr. Peter Heer

MLaw Dominik Greder

  1. Siehe Ziff. 6.4 Anhänge IVHB.
  2. Das kantonale Recht schliesst ein Attika mit einem Schrägdach begrifflich nicht aus.
  3. § 16a ABauV in der Fassung vom 23. Februar 1994 und § 25 BauV in der Fassung vom 1. September 2012.
  4. Daher ist die Formulierung in der neuen Fassung von § 25 Abs. 1 BauV, wonach «Balkone, Loggias ausgenommen», nicht zur Vollgeschossfläche zählen, sprachlich falsch, denn sie impliziert, dass Loggias eine Unterart von Balkonen sind. Die Formulierung verkennt die Unterschiede zwischen Balkonen und Loggias.
  5. Ziff. 3.4 Anhänge IVHB, § 21 BauV.
  6. Ziff. 3.5 Anhänge IVHB.
  7. Entscheid des DBVU BVURA.20.36 vom 14. Juli 2020, E. 4.2.2., mit Hinweis auf VGE 111/55 vom 31. August 2006, S. 9 f. betreffend ein Terrassenhaus. Nicht sachgerecht erscheint uns, die Flächen der Vollgeschosse um die anteilige Ausnützungsreserve zu vergrössern und auf dieser vergrösserten Fläche die zulässige Attikagrundfläche zu ermitteln, denn diese rechnerisch vergrösserte Fläche bildet sich in der Erscheinung des projektierten Gebäudes nicht ab (siehe dazu Entscheid des DBVU BVURA.20.36 vom 14. Juli 2020, E. 4.2.2 S. 5 f.).
  8. Siehe AGVE 2002 S. 660 – 664.
  9. Entscheid des DBVU BVURA.20.36 vom 14. Juli 2020, E. 4.3.2; Entscheid des Verwaltungsgerichts WBE.2014.199 vom 12. Dezember 2014, E. 2.3; Entscheid des Verwaltungsgerichts WBE.2014.239 vom 1. Dezember 2014, E. 5.2.2; Entscheid des Verwaltungsgerichts WBE.2005.289 vom 31. August 2006, S. 9; Entscheid des Verwaltungsgerichts WBE.2006.90 vom 20. Dezember 2006, S. 7; Entscheid des Verwaltungsgerichts WBE.2009.99 vom 26. März 2010, S. 8 f.; AGVE 1999, S. 232.
  10. Entscheid des DBVU BVURA.11.924 vom 20. Juni 2012; Entscheid des Verwaltungsgerichts VGE III/55 vom 31. August 2006.
  11. Entscheid des DBVU BVURA.20.36 vom 14. Juli 2020, E. 4.3. Es geht weniger um die erweiterte Nutzung, als um den optischen Eindruck.
  12. Siehe Leitentscheid des Verwaltungsgerichts AGVE 2014 181.
  13. Das ist etwas merkwürdig, da auch ein Sonnenschutz Nutzungen ermöglicht, welche auf einer prall der Sonne ausgesetzten Terrasse nicht möglich wären.
  14. Siehe zum Ganzen Entscheid des DBVU BVURA.13.144 vom 16. Mai 2014.
  15. VGE III/87 vom 20. Dezember 2006.
  16. Siehe Urteil des Verwaltungsgerichts WBE.2014.239 vom 1. Dezember 2014. E. 3.2.2; vgl. Entscheid des DBVU BVURA.06.465 vom 12. Dezember 2006.
  17. Entscheid des Verwaltungsgerichts WBE.2006.90 vom 20. Dezember 2006, E. 2.3 f.
  18. Vgl. Entscheid des Regierungsrats RRB Nr. 2019 – 000606 vom 29. Mai 2019, E. 4.3.1.
  19. Urteil des Bundesgerichts 1C_658/2013 vom 24. Januar 2014, E. 4.4.
  20. Entscheid des DBVU BVURA.20.303 vom 2. November 2020, E. 6.1.
  21. Entscheid des DBVU BVURA.20.303 vom 2. November 2020, E. 6.1.; Ziff. 3.1.3 der Schweizer Norm SN 358 «Geländer und Brüstungen», Ausgabe 2010, des Schweizerischen lngenieur- und Architektenvereins (SIA) schreibt für die Brüstungen eine normale Höhe von mindestens einem Meter vor.
  22. Mit Inkrafttreten der IVHB sind die Regeln über die Anordnung des Attikas strenger geworden.
  23. Entscheid des DBVU BVURA.20.36 vom 14. Juli 2020, E. 4.4.1.
  24. Was umgekehrt bedeutet, dass Attikageschossfassaden, die nicht um das Mass ihrer Höhe zurückversetzt sind, Einfluss auf die Berechnung der Fassadenhöhe haben. Besser wäre eine kantonale Regelung zu treffen, wonach Attikageschossfassaden nicht an die Fassadenhöhe anzurechnen sind.
  25. Vgl. Anhang 3 BauV: § 12 ABauV; Entscheid des DBVU BVURA.16.574 vom 13. April 2017, E. 3.1.
  26. Entscheid des DBVU BVURA.16.574 vom 13. April 2017, E. 3.2.
  27. Entscheid des Verwaltungsgerichts VGE 111/12 vom 2. März 2009, S. 9 f. Ob mit der Formulierung von Ziff. 6.4 Anhang 1 IVHB bewusst die Auskragung untersagt werden sollte, darf bezweifelt werden. Sachliche Gründe gegen Auskragungen sind nicht erkennbar.
  28. Entscheid des DBVU BVURA.20.36 vom 14. Juli 2020, E. 4.4.1.

Die Autorinnen und Autoren dieses Beitrags:

Dr. Peter
Heer
Rechtsanwalt, Fachanwalt SAV Bau- und Immobilienrecht
+41 56 203 10 39
p.heer@voser.ch
MLaw Dominik
Greder
Rechtsanwalt
+41 56 203 10 39
d.greder@voser.ch
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