LEXPRESS Die neue Mehrwertabgabe im Kanton Aargau

Einleitung

Werner Haag ist Landwirt in der Gemeinde X. Ihm gehören mehrere Grundstücke in der Landwirtschaftszone. Der Gemeinderat teilt ihm mit, dass einige seiner Grundstücke 2018 in die Wohnzone W2 eingezont werden sollen und er dafür eine Abgabe auf dem Mehrwert von 40 % zu leisten habe. Werner Haag fällt aus allen Wolken. Darf die Gemeinde eine Mehrwertabgabe verlangen? In welcher Höhe? Gestützt auf welche gesetzliche Grundlage? Und gilt das Reglement der Gemeinde über die Mehrwertabgabe aus dem Jahr 2013 noch? Wir versuchen, anhand dieses fiktiven Beispiels diese und weitere Fragen zum Thema Mehrwertabgabe in diesem LEXpress Baurecht zu klären.

1. Wieso schaffen alle Kantone eine gesetzliche Grundlage für die Abschöpfung von Planungsmehrwerten?

Die Kantone sind seit 1980 verpflichtet, einen angemessenen Ausgleich für erhebliche Planungsvorteile vorzusehen (Art. 5 Abs. 1 RPG). Nur wenige Kantone sind dieser Verpflichtung nachgekommen. Am 3. März 2013 beschloss das Schweizer Volk eine Ergänzung des Raumplanungsgesetzes (RPG) (Art. 5 Abs. 1bis bis 1sexies RPG), welche am 1. Mai 2014 in Kraft trat. Die Kantone erhalten fünf Jahre Zeit, um eine Regelung für einen angemessenen Ausgleich für erhebliche Vorteile, die durch Planungen entstehen, festzulegen (Art. 38a Abs. 4 RPG). Solange die Kantone dieser Verpflichtung nicht nachgekommen sind, gilt ein Einzonungsverbot (Art. 38a Abs. 5 RPG).

2. Was ändert sich im Kanton Aargau?

Das revidierte RPG verpflichtet die Kantone, Planungsvorteile mindestens bei Einzonungen zu einem Satz von mindestens 20 Prozent auszugleichen (Art. 5 Abs. 1bis RPG). Der Grosse Rat des Kantons Aargau ergänzte deshalb das Baugesetz (§§ 28a bis 28h BauG). Neu muss bei Einzonungen eine Abgabe von 20 % des Mehrwerts geleistet werden (§ 28a Abs. 1 BauG). Im Sinne der Gemeindeautonomie sind die Gemeinden berechtigt, in ihrem kommunalen Recht einen höheren Abgabesatz von bis zu 30 % festzulegen (§ 28a Abs. 3 BauG). Die Gemeinden dürfen zudem in verwaltungsrechtlichen Verträgen mit den Grundeigentümern für den Ausgleich anderer Planungsvorteile (z. B. aufgrund der Aufzonung von einer Zone W2 in eine Zone W3 oder aufgrund einer Erhöhung der Ausnützungsziffer) Leistungen vereinbaren (§ 28a Abs. 2 BauG). Eine noch nicht veröffentlichte Verordnung über die Mehrwertabgabe (Mehrwertabgabe-V) soll weitere Details regeln. Das neue kantonale Recht (§§ 28a bis 28h BauG) mit der entsprechenden Verordnung soll am 1. Mai 2017 in Kraft treten.

3. Wie entsteht ein Planungsmehrwert?

Der Planungsmehrwert ist der Vorteil, der durch eine Planungsmassnahme (Einzonung, Umzonung etc.) erzielt wird. Die Höhe des Planungsmehrwerts beruht auf einer Schätzung des Verkehrswerts des Grundstücks vor und nach der Planungsmassnahme. Die Wertdifferenz stellt den Mehrwert dar. Dabei interessiert nur der Wert des Bodens, d. h. der Landwert. Bauten und Anlagen werden grundsätzlich nicht berücksichtigt. Die Berechnung des Verkehrswerts erfolgt nach allgemein anerkannten Methoden, wobei in erster Linie auf Vergleichspreise oder statistisch erhobene Preise verkaufter Grundstücke abgestellt wird. Kriterien wie die Lage, Erschliessung, aber auch die Belastung mit Abfällen, das Vorhandensein baufälliger Gebäude etc. sind unseres Erachtens zu beachten.

4. Wer muss eine Mehrwertabgabe leisten?

Zur Abgabe verpflichtet ist der Eigentümer des Grundstücks, das von der planerischen Massnahme betroffen ist (§ 28a Abs. 1 BauG). Massgebend ist der Zeitpunkt der Rechtskraft der planerischen Massnahmen (§ 28a Abs. 1 BauG).

5. Ist eine Mehrwertabgabe auch bei einer Aufzonung oder Umzonung geschuldet?

Nach kantonalem Recht ist eine Mehrwertabgabe nur bei einer Einzonung geschuldet (§ 28a Abs. 1 BauG). Der Einzonung gleichgestellt ist die Umzonung innerhalb Bauzonen, wenn das Grundstück vor der Umzonung in einer Zone liegt, in der das Bauen verboten oder nur für öffentliche Zwecke zugelassen ist (sogenannter einzonungsähnlicher Tatbestand; siehe § 28a Abs. 1 BauG). Das kantonale Recht gibt aber den Gemeinden das Recht, mit den Grundeigentümern, deren Grundstücke durch eine andere planerische Massnahme (Aufzonung oder Umzonung etc.) einen Mehrwert erfahren, auf vertraglicher Basis eine Mehrwertabgabe zu vereinbaren (§ 28a Abs. 2 BauG). Ein solcher Vertrag kommt aber nur zustande, wenn beide Vertragsparteien, also die Gemeinde und der Grundeigentümer, damit einverstanden sind (siehe Art. 1 OR).

6. Wie legt die Gemeinde die Mehrwertabgabe fest?

Bei der öffentlichen Auflage des Nutzungsplanentwurfs orientiert der Gemeinderat über die voraussichtliche Höhe der Abgabe (vorgängige Orientierung; § 28b Abs. 1 BauG). Unmittelbar nach der Genehmigung des Nutzungsplans, welche zum Planungsmehrwert führt, erlässt der Gemeinderat eine Verfügung über die Höhe der Abgabe (Festsetzungsverfügung; § 28b Abs. 1 BauG).

7. Wie wird der Mehrwert ermittelt?

Der Gemeinderat stützt sich bei der Ermittlung der Abgabenhöhe für die Festsetzungsverfügung auf die Schätzung des kantonalen Steueramts (§ 28b Abs. 1 BauG). Die vorgängige Orientierung hingegen stützt sich auf eine provisorische Schätzung des kantonalen Steueramts (§ 28b Abs. 1 BauG). Die Schätzungen des Steueramts haben die Qualität einer fachlichen Expertise. Der Gemeinderat darf nur aus triftigen Gründen davon abweichen.

8. Wie kann man sich gegen die Festsetzungsverfügung wehren?

Gegen die Festsetzungsverfügung können Rechtsmittel ergriffen werden (§ 28 Abs. 3 BauG). Der betroffene Grundeigentümer kann gegen die Festsetzungsverfügung Einsprache beim Gemeinderat erheben (siehe auch § 40 VRPG). Das Einspracheverfahren ist grundsätzlich kostenlos (§ 31 Abs. 1 und § 32 Abs. 1 VRPG). Einspracheentscheide können mit Beschwerde beim Spezialverwaltungsgericht angefochten werden. Gegen Entscheide des Spezialverwaltungsgerichts steht die Beschwerde an das Verwaltungsgericht offen. Beschwerdeverfahren haben Kostenfolgen (§ 29 ff. VRPG). Die Einsprachefrist beträgt 30 Tage (siehe § 40 Abs. 1bis VRPG, welche als Fremdänderung gleichzeitig eingefügt wird) und ist damit gleich lang wie die Beschwerdefrist (§ 44 VPRG).

9. Mit welchen Argumenten kann man sich gegen die Festsetzungsverfügung wehren?

Die Festsetzungsverfügung basiert auf einer Schätzung des kantonalen Steueramts (§ 28b Abs. 1 BauG). Will man sich gegen die Höhe der Abgabe zur Wehr setzen, so muss mit der Unrichtigkeit der Schätzung argumentiert werden. Beispielsweise könnte ins Feld geführt werden, dass die spezielle örtliche Lage des Grundstücks (z. B. Lage entlang eines Gewässers, entlang der Hauptstrasse oder am Schattenhang) oder z. B. Sanierungskosten aufgrund von Abfällen, Kosten für den zwingend erforderlichen Abbruch von Altbauten, Notwendigkeit von Planungskosten etc. fälschlicherweise nicht berücksichtigt sind. Vorstellbar ist auch eine aussergewöhnliche Entwicklung der Landpreise, welche die statistisch erhobenen Vergleichspreise relativieren kann. Die Argumentation ist abhängig vom konkreten Sachverhalt.

10. Wann wird die Mehrwertabgabe fällig?

Die Mehrwertabgabe wird nicht bereits bei deren Festsetzung fällig, sondern erst bei der Veräusserung des Grundstücks oder wenn eine Baubewilligung erteilt worden ist («Bezug», § 28d Abs. 1 BauG).

Mit Veräusserung ist der Eigentumsübergang (Grundbuchvollzug) aufgrund von Rechtsgeschäften wie namentlich Kauf, Tausch und Schenkung gemeint. Der erbrechtliche Erwerb der Liegenschaft hingegen soll die Fälligkeit nicht auslösen, da es sich nicht um ein Rechtsgeschäft handelt. Auch eine bloss wirtschaftliche Übertragung ohne Übergang des Eigentumsrechts stellt keine Veräusserung in diesem Sinne dar.

Mit Erteilung der Baubewilligung ist die rechtskräftige Baubewilligung gemeint. Ob von der Baubewilligung Gebrauch gemacht wird oder nicht, spielt hinsichtlich der Fälligkeit der Festsetzungsverfügung keine Rolle.

11. Wird die Fälligkeit der Mehrwertabgabe verfügt?

Die Fälligkeit der Mehrwertabgabe tritt von Gesetzes wegen mit der Veräusserung oder mit der Baubewilligung ein (§ 28d Abs. 1 BauG). Neue Rechte und Pflichten werden dadurch nicht begründet, weshalb – nach unserer Auffassung – die Verfügungsform nicht erforderlich ist. Entsprechend gibt es keine Rechtsmittelmöglichkeit.

12. Kann die Mehrwertabgabe auch in einem Vertrag mit der Gemeinde vereinbart werden?

Die Mehrwertabgabe für Einzonungen muss verfügt werden (§ 28b BauG: «Festsetzungsverfügung»). Vor dem Erlass der Verfügung ist dem betroffenen Eigentümer das rechtliche Gehör zu gewähren (Art. 29 Abs. 2 BV, § 22 Abs. 1 KV).

Die Abgabe für Mehrwerte zufolge anderer Planungsmassnahmen (Umzonungen, Aufzonungen etc.) darf nicht verfügt werden. Es steht nur der verwaltungsrechtliche Vertrag zur Verfügung (§ 28a Abs. 2 BauG).

Eine vertragliche Lösung setzt das Einverständnis beider Vertragsparteien, also auch des Grundeigentümers, voraus (siehe Art. 1 OR). Der vertraglichen Lösung sind sodann Grenzen gesetzt beispielsweise durch das Gleichbehandlungsgebot (Art. 8 BV).

13. Muss die Mehrwertabgabe in Geld entrichtet werden?

Die Mehrwertabgabe für Einzonungen (und einzonungsähnliche Tatbestände, siehe § 28a Abs. 1 BauG) erfolgt als Geldzahlung («Abgabe»). Das ermöglicht auch eine einfache Auszahlung des Kantonsanteils (siehe § 28e BauG).

Die vertraglich festgelegte Mehrwertabgabe (siehe § 28a Abs. 2 BauG) kann – nach unserer Auffassung – auch in Sachleistungen oder anderen Leistungen erfolgen. Sachleistungen sind beispielsweise: Abtretung von Land, Erstellung eines öffentlichen Platzes oder einer Kinderkrippe, Öffnung eines eingedolten Bachs. «Andere Leistungen» können sein: Unterhalt dieses Bachs, Übernahme der Haftung bei Schäden z. B. zufolge Hochwasser, Unterhalt eines Spielplatzes etc. Der Kanton hat keinen Anspruch auf eine Beteiligung bei solchen vertraglichen Abgaben (siehe § 28e Abs. 1 BauG).

14. Ist die Mehrwertabgabe zusätzlich zur Grundstückgewinnsteuer geschuldet?

Nein, es gibt keine «Doppelbesteuerung». Die Mehrwertabgabe ist bei der Bemessung einer allfälligen Grundstückgewinnsteuer als Teil der Aufwendungen vom Gewinn in Abzug zu bringen (Art. 5 Abs. 1sexies RPG). Das Steuergesetz (StG) sieht deshalb vor, dass die Mehrwertabgabe bei der Grundstückgewinnsteuer als Anlagekosten geltend gemacht werden kann (§ 104 Abs. 1 lit. d StG).

15. Wie darf die Gemeinde die eingenommene Mehrwertabgabe verwenden?

Das kantonale Recht verweist in § 28f Abs. 2 BauG auf das RPG. Die Erträge aus dem Mehrwertausgleich sind nach Art. 5 Abs. 1ter RPG zweckgebunden einzusetzen. Die zur Verfügung stehenden Zwecke sind weit gefasst. In erster Linie sind die Erträge für Entschädigungen aus materieller Enteignung gemäss Art. 5 Abs. 2 RPG einzusetzen. Weiter stehen die Erträge zur Verfügung für Massnahmen nach Art. 3 RPG, insbesondere solche nach Art. 3 Abs. 2 lit. a RPG (Erhaltung genügender Flächen geeigneten landwirtschaftlichen Kulturlandes, insbesondere Fruchtfolgeflächen) und Art. 3 Abs. 3 lit. abis RPG (Massnahmen zur inneren Verdichtung). Aber auch die weiteren in Art. 3 RPG verankerten Planungsziele dürfen mit Erträgen aus dem Mehrwertausgleich gefördert werden.

16. Was droht dem Gemeinderat bei einer Verwendung von Mitteln entgegen den kantonalen Vorgaben / den Vorgaben des RPG?

Für die Verwendung der Erträge der Gemeinden ist der Gemeinderat abschliessend zuständig (§ 28f Abs. 4 BauG). Diese Zuständigkeit kann im kommunalen Recht (Gemeindeordnung) nicht abgeändert werden. Ordentliche Rechtsmittel gegen die zweckwidrige Verwendung der Erträge aus der Mehrwertabgabe stehen nicht zur Verfügung. Daher bleiben bloss aufsichtsrechtliche Massnahmen (§§ 100 ff. GG, § 38 VRPG).

17. Darf die Gemeinde die Erträge aus der Mehrwertabgabe für sich behalten?

Nein. Dem Kanton steht für Einzonungen und einzonungsähnliche Tatbestände die Hälfte des kantonalen Mindestsatzes zu (§ 28e Abs. 1 BauG). Der kantonale Mindestsatz beträgt 20 %, also stehen dem Kanton 10 % zu. Falls die Gemeinde den Abgabesatz erhöht, profitiert der Kanton nicht. Erhöht eine Gemeinde den Satz der Mehrwertabgabe z. B. auf 30 %, stehen dem Kanton somit 10 % (die Hälfte des kantonalen Mindestsatzes von 20 %) und der Gemeinde 20 % zu.

Erträge aus vertraglichen Mehrwertabgaben, also für Umzonungen oder Aufzonungen etc. (§ 28a Abs. 2 BauG), stehen allein der Gemeinde zu. Der Kanton hat keine Beteiligung an solchen Erträgen (§ 28e Abs. 1 BauG).

18. Hat die Gemeinde eine Sicherungsmöglichkeit für ihre Mehrwertabgabe?

Ja. Ihr steht ein gesetzliches Grundpfandrecht zu (§ 28c BauG). Der Gemeinderat meldet dieses Grundpfandrecht zur Eintragung an, sobald die Festsetzungsverfügung rechtskräftig geworden ist (§ 28 Abs. 2 BauG). Die Kosten für die Eintragung und die Löschung gehen zulasten des Mehrwertanteils der Gemeinde (§ 28c Abs. 4 BauG).

19. Wie wird ein eingetragenes Pfandrecht wieder gelöscht?

Das Gesetz regelt diese Frage nicht (siehe § 28c BauG). Die Löschung ist jedoch am einfachsten, wenn dem Grundbuchamt eine vom Gemeinderat unterzeichnete Löschungsbewilligung eingereicht wird. Die Kosten gehen zulasten der Gemeinde (§ 28c Abs. 4 BauG).

20. Wie kann die Gemeinde den Satz der Mehrwertabgabe erhöhen?

Die Gemeinden können den Abgabesatz für Einzonungen (und einzonungsähnliche Tatbestände, siehe § 28a Abs. 1 BauG) in einem Gesetz im formellen Sinn (von der Legislative beschlossenes Reglement, Bau- und Nutzungsordnung) auf höchstens 30 % erhöhen (§ 28a Abs. 2 BauG).

Der Abgabesatz für Mehrwerte bei anderen Planungsmassnahmen (Aufzonungen, Umzonungen etc.; siehe § 28a Abs. 2 BauG) können die Vertragsparteien vertraglich frei festlegen (siehe Art. 1 OR).

21. Was kann die Gemeinde neben dem Abgabesatz noch regeln?

Nach unserer Auffassung braucht es nicht zwingend kommunale Regelungen. §§ 28a ff. BauG sind direkt anwendbar und benötigen kein Ausführungsrecht.

Insbesondere ist es nicht nötig, eine gesetzliche Grundlage für die Bildung eines Spezialfonds zu schaffen, da die Gemeinden schon aus übergeordnetem Recht hierzu verpflichtet sind (siehe § 28f Abs. 3 BauG und Botschaft 15.269 vom 2. Dezember 2015, S. 25). Unseres Erachtens dürfen die Gemeinden auch ihre Auslagen im Zusammenhang mit der Erhebung der Mehrwertabgabe diesem Fonds belasten, ohne hierfür eine ausdrückliche rechtliche Grundlage zu schaffen.

Die Gemeinden können aber beispielsweise konkretisieren, wie die Einnahmen aus der Mehrwertabgabe zu verwenden sind (z. B. Aufwertung Strassen, öffentliche Freiräume, Spielplätze). Dabei haben sie sich aber an die Vorgaben von Art. 5 Abs. 1ter RPG (siehe § 28f Abs. 3 BauG) zu halten. Nicht erlaubt ist es den Gemeinden, Gebühren für die Festsetzungsverfügung und die Behandlung der Einsprachen zu erheben (§ 31 Abs. 1 VRPG i.V.m. § 5 Abs. 2 BauG). Die Kosten von privaten Gutachten, welche ein Grundeigentümer verlangt, dürfen die Gemeinden hingegen dem Grundeigentümer belasten (§ 31 Abs. 4 VRPG).

22. Was passiert, wenn die Gemeinde gesetzgeberisch nicht tätig wird?

Da das kantonale Recht (§§ 28a ff. BauG) direkt anwendbar ist und alle wesentlichen Inhalte regelt, besteht kein Zwang für die Gemeinden, tätig zu werden. Mit und ohne kommunales Reglement haben sie das kantonale Recht anzuwenden. Allerdings sind sie auf den Abgabesatz von 20 % bei Einzonungen und einzonungsähnlichen Tatbeständen (siehe § 28a Abs. 1 BauG) beschränkt (§ 28a Abs. 2 BauG).

23. Wie soll die Mehrwertabgabe in einem Grundstückskaufvertrag berücksichtigt werden?

Betrifft ein Kaufvertrag ein eingezontes Grundstück, besteht für den Käufer die Gefahr, von der Gemeinde für die Mehrwertabgabe belangt zu werden: Zwar ist die Mehrwertabgabe fällig, aber der Verkäufer hat sie möglicherweise nicht bezahlt. Wurde das Grundstück erst kürzlich eingezont, lohnt es sich, das abzuklären. Denn die Gemeinden haben die Möglichkeit, die Mehrwertabgabe mittels eines gesetzlichen Pfandrechts auf dem betroffenen Grundstück zu sichern – und dieses zu verwerten, falls der abgabepflichtige Verkäufer die Abgabe nicht bezahlt. Daher empfiehlt sich im Kaufvertrag vorzusehen, dass der Käufer die noch nicht bezahlte Mehrwertabgabe in Anrechnung an den Kaufpreis direkt der Gemeinde bezahlt oder der Verkäufer eine Sicherheit leistet (z.B. Bankgarantie im Umfang der Mehrwertabgabe).

24. Gilt ein kommunales Reglement über die Mehrwertabgabe aus dem Jahr 2013 trotz der BauG-Teilrevision?

Ja. Und zwar – unverändert – für Planungsmassnahmen, die der Kanton vor Inkrafttreten der Rechtsänderung genehmigt hat (§ 169 Abs. 9 lit. a BauG). Für vom Kanton vor dem 1. Mai 2017 genehmigte Einzonungen und andere planerische Massnahmen gelten die kantonalen Vorschriften über die Mehrwertabgabe somit nicht. Für solche planerische Massnahmen bleiben allfällige kommunale Regelungen über die Mehrwertabgabe anwendbar (§ 169 Abs. 9 lit. a BauG). Fehlt es an einer kommunalen Grundlage für die Mehrwertabschöpfung, hat die planerische Massnahme keine Mehrwertabgabe zur Folge.

Soweit das kommunale Reglement mit dem kantonalen Recht über die Mehrwertabgabe (§ 28a ff. BauG) vereinbar ist, bleibt es gültig. Soweit es dem kantonalen Recht widerspricht, verliert es seine Wirkung und es muss an das neue Recht angepasst werden (§ 169 Abs. 9 lit. b BauG; siehe Botschaft 15.269 des Regierungsrats vom 2. Dezember 2015, S. 18).

25. Welche Regelungen im kommunalen Reglement über die Mehrwertabgabe aus dem Jahr 2013 sind mit dem teilrevidierten Baugesetz vereinbar?

Mit dem kantonalen Recht vereinbar sind kommunale Regelungen, wenn sie sich auf die Einzonung und einzonungsähnlichen Abgabe-Tatbestände beschränken («gesetzliche Abgabe-Tatbestände»), die Mehrwertabgabe mindestens 20 % und höchstens 30 % des Mehrwerts beträgt und wenn sie das Verfahren der Mehrwertabgabe-Festsetzung, die Fälligkeit, die Sicherstellung etc. wie das neue kantonale Recht regeln.

Die «altrechtlichen» kommunalen Regelungen bleiben anwendbar, soweit sie dem kantonalen Recht nicht widersprechen. Sie werden also nicht als Ganzes aufgehoben, wenn sie nur in einem Teil dem kantonalen Recht widersprechen. Die altrechtlichen Regelungen werden nur für den wider-
sprechenden Teil ungültig. Sieht die «altrechtliche» kommunale Regelung beispielsweise keinen «Kantonsanteil» vor, so wird sie nicht als Ganzes unanwendbar.

26. Was antwortet Voser Rechtsanwälte Werner Haag?


Der erste Entscheid, den Werner Haag fällen muss, ist, ob er seinen landwirtschaftlichen Betrieb langfristig weiterführen will und dabei auf die Grundstücke, welche nun eingezont werden sollen, angewiesen ist. Falls er die Einzonung ablehnt, ist es wichtig, das dem Gemeinderat sofort mitzuteilen. Je nach Lage der Grundstücke lässt sich die Einzonung abwenden. Ausserdem ist seit der Revision des RPG eine Voraussetzung für die Einzonung, dass das Land für die Überbauung verfügbar ist (Art. 15a RPG), was Werner Haag mit seiner Haltung beeinflussen kann.

Kommt es zur Einzonung, muss Werner Haag die landwirtschaftliche Nutzung nicht sofort aufgeben. Landwirtschaft darf auch auf Land, das in der Bauzone liegt, betrieben werden. Er wird durch den Gemeinderat allerdings verpflichtet, sein Land in einer angemessenen Frist zu überbauen. Wenn er diese Frist nicht einhält, wird eine Lenkungsabgabe von 2 % des steuerrechtlich massgebenden Grundstückverkehrswerts fällig, die jährlich erhoben wird (§ 28j BauG). Sodann wird der Gemeinderat ihm nach Genehmigung (oder Rechtskraft) der Einzonung die sogenannte Festsetzungsverfügung eröffnen, mit welcher er die Mehrwertabgabe erhebt. Die Ersatzabgabe wird gekürzt, wenn Werner Haag eine landwirtschaftliche Ersatzbaute zur Selbstbewirtschaftung beschafft (Art. 5 Abs. 1quater RPG, § 28i Abs. 1 lit. a BauG). Fällig wird die Mehrwertabgabe aber erst, wenn Werner Haag ein Grundstück verkauft (für dieses Grundstück) bzw. seine Grundstücke verkauft. Ebenso wird die Mehrwertabgabe fällig für die Flächen, für welche Werner Haag eine rechtskräftige Baubewilligung erwirkt.

Grundlage für die Mehrwertabgabe ist das Reglement der Gemeinde über die Mehrwertabgabe aus dem Jahr 2013, soweit es mit dem übergeordneten kantonalen Recht vereinbar ist. Das ist es nicht bezüglich des Abgabesatzes von 40 %, da das kantonale Recht diesen Satz auf 30 % des Mehrwerts beschränkt.

VOSER RECHTSANWÄLTE

Dr. Peter Heer

Christian Munz

Michael Fretz

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