LEXPRESS Was sollten die Gemeinden bei der Umsetzung der IVHB beachten?

Die IVHB beschäftigt uns! Viele Gemeinden überlegen sich, ihre BNO jetzt an die neuen Baubegriffe anzupassen. Wir möchten auf Knackpunkte hinweisen, welche bei der Umsetzung der IVHB beachtet werden sollten.

1. Einleitung

Die Interkantonale Vereinbarung über die Harmonisierung der Baubegriffe (IVHB) möchte schweizweit die Baubegriffe und Messweisen vereinheitlichen. Der Kanton Aargau ist dieser Vereinbarung beigetreten und hat in der Bauverordnung (BauV) in den §§ 16 bis 31 die Begriffe und Messweisen der IVHB übernommen. Diese Bestimmungen finden allerdings erst dann Anwendung, wenn eine Gemeinde ihren allgemeinen Nutzungsplan an die Begriffe und Messweisen der IVHB angepasst hat.

Welche Regelungsmöglichkeiten die Gemeinden haben, zeigt das Departement Bau, Verkehr und Umwelt (BVU) in seinen Empfehlungen zur Integration der harmonisierten Baubegriffe und Messweisen in die Bau- und Nutzungsordnung (Anhang 1 zur IVHB) übersichtlich auf. Es empfiehlt sich, diese Empfehlung bei der Revision der BNO abzuarbeiten.

Wir spannen den Bogen etwas weiter und machen in diesem LEXpress Baurecht einige Hinweise, was bei der Einführung der IVHB speziell berücksichtigt werden sollte. Allerdings müssen wir uns hier auf einige wenige Themen begrenzen.

2. Massgebendes Terrain (Ziff. 1.1 Anhang 1 zur IVHB)

Die IVHB definiert das massgebende Terrain als den natürlich gewachsenen Geländeverlauf (Ziff. 1.1 Anhang 1 IVHB). Diese Definition ist abschliessend; die Gemeinde darf keine davon abweichende Regelung treffen. Sie darf insbesondere nicht mehr auf das gewachsene Terrain abstellen (es sei denn, das gewachsene Terrain entspreche auch heute noch dem natürlich gewachsenen Geländeverlauf). Das massgebende Terrain ist für die Gesamthöhe, Fassadenhöhe, unterirdischen Bauten, Unterniveaubauten und Terrainveränderungen relevant und daher zentral für die Begriffe der IVHB.

Immerhin lässt Ziff. 1.1 Anhang 1 zur IVHB – als Ausnahme – zu, dass «aus planerischen oder erschliessungstechnischen Gründen» das massgebende Terrain in einem Planungs- oder im Baubewilligungsverfahren abweichend festgelegt wird (Satz 3). Das lässt den Gemeinden Handlungsmöglichkeiten auch in der allgemeinen Nutzungsplanung.

Uns scheint es beispielsweise angebracht, in Gebieten, welche grossflächig hochwassergefährdet sind, zu prüfen, ob nicht bereits in der allgemeinen Nutzungsplanung (Zonenplan, mit entsprechender Regelung in der BNO) das massgebende Terrain so festgelegt werden kann, dass einerseits nach der Regelbauweise, ohne Einschränkungen durch die Hochwassergefahr gebaut werden kann (Erschliessung und Gebäude) und andererseits andere für eine grossflächige Überbauung wichtige Aspekte (wie Quartierbild) berücksichtigt sind, ohne dass im Einzelfall vom natürlich gewachsenen Geländeverlauf abgewichen werden muss. Vergleichbares gilt für Gebiete, welche wegen des Grundwassers nur eingeschränkt bebaut werden können.

Ein weiterer Anwendungsfall scheinen uns diejenigen (älteren) Quartiere zu sein, welche – oft flächendeckend – mit Gebäuden bebaut sind, deren Sockelgeschosse das Mittelmass von 0,80 m überschreiten, weshalb diese nicht als Untergeschosse gelten (siehe § 23 Abs. 1 BauV). Mit der angepassten Festlegung des massgebenden Terrains können solche Sockelgeschosse als Untergeschosse qualifiziert werden.

Vorstellbar ist auch eine planerische Festlegung des massgebenden Terrains aus erschliessungstechnischen Gründen. Beispielsweise könnte im allgemeinen Nutzungsplan namentlich an Hanglagen flächendeckend oder quartierweise eine an die bestehende Erschliessungsstrasse (oder an bestehende Werkleitungen) angepasste EG-Kote, welche einen optimalen Anschluss der Liegenschaften an die bestehende Erschliessung ermöglicht, festgesetzt werden.

Wo mit einer Abweichung vom natürlich gewachsenen Geländeverlauf ein Gebiet vor Lärmimmissionen geschützt werden kann, könnte eine planerische Festlegung des massgebenden Terrains ebenfalls sinnvoll sein. Das festzulegende massgebende Terrain müsste beispielsweise zu einer besseren Abschirmung der Liegenschaften führen. Gleichzeitig sind allerdings stets die Anliegen des Ortsbildschutzes und der Nachbarschaft zu berücksichtigen.

Schliesslich kann im Einzelfall auch die Rücksichtnahme auf die bauliche Umgebung dazu führen, dass für eine grössere Fläche ein vom gewachsenen Geländeverlauf abweichendes massgebendes Terrain festgelegt wird.

Wir empfehlen den Gemeinden daher, im Rahmen der Revision des allgemeinen Nutzungsplans zu prüfen, ob das massgebende Terrain in bestimmten Gebieten abweichend vom natürlich gewachsenen Geländeverlauf festgelegt werden soll. Wo solche Gebiete bereits in der allgemeinen Nutzungsplanungen festgestellt werden, die allgemeine Nutzungsplanung aber nicht das angepasste Mittel ist, könnte die Festlegung des massgebenden Terrains in die Sondernutzungsplanung delegiert werden.

3. Unterniveaubauten und unterirdische Bauten (Ziff. 2.4 und Ziff. 2.5 Anhang 1 zur IVHB, § 20 BauV)

Gemäss § 20 BauV müssen Unterniveau- und unterirdische Bauten einen Grenzabstand von wenigstens 50 cm einhalten. Die Gemeinde kann in ihrer BNO eine davon abweichende Regelung vorsehen. Dabei ist zu beachten, dass für Unterniveaubauten und für unterirdische Bauten nicht derselbe Grenzabstand gelten muss. Beispielsweise kann die Gemeinde für Unterniveaubauten einen Grenzabstand von 50 cm festlegen und für unterirdische Bauten den Grenzabstand aufheben.

Es stellt sich jedoch die Frage, ob der Verzicht auf die Abstandsvorschrift überhaupt praxistauglich ist. Um nämlich bis an die Parzellengrenze bauen zu können, muss in aller Regel die Nachbarparzelle beansprucht werden. Die Folge ist ein Eingriff in das Eigentum des Nachbarn. Gemäss Art. 695 ZGB ist es den Kantonen vorbehalten, Vorschriften aufzustellen, welche dem Grundeigentümer zum Zwecke der Bewirtschaftung oder Vornahme von Ausbesserungen und Bauten die Befugnis erteilen, dass nachbarliche Grundstück zu betreten resp. vorübergehender Immissionen auszusetzen (sogenannte Hammerschlagsrechte). Im Kanton Aargau fehlt zurzeit eine Bestimmung, die den Zutritt zu fremden Grundstücken für weitergehende Arbeiten als für Instandsetzungsarbeiten erlaubt (vgl. § 91 EG ZGB des Kantons Aargau, siehe für den Kanton Zürich § 229 f. PBG). Dem Vernehmen nach ist der Kanton daran, eine entsprechende Bestimmung zu erlassen. Bereits in Kraft stehen entsprechende Normen in Bau- und Nutzungsordnungen einzelner Gemeinden (z. B. § 86 Abs. 2 BNO der Stadt Baden). Ob die Gemeinden berechtigt sind, solche Bestimmung ohne gesetzliche Grundlage im kantonalen Recht zu erlassen, ist offen. Ohne gesetzliche Hammerschlagsrechte ist der bauwillige Grundeigentümer im Kanton Aargau auf das Einverständnis des Nachbarn zur Beanspruchung dessen Grundstücks angewiesen.

Nach unserer Auffassung sollten die Grenzabstände bei unterirdischen Bauten und allenfalls auch bei Unterniveaubauten aufgehoben werden, gleichzeitig aber, zumindest solange der Kanton es nicht getan hat, in der BNO ein Hammerschlagsrecht eingeräumt werden.

4. Gesamthöhe (Ziff. 5.1 Anhang 1 zur IVHB)

In Gemeinden, welche die Fassadenhöhe und die Geschossigkeit definieren, ist die Festlegung einer Gesamthöhe auf den ersten Blick nicht notwendig. Indes gibt es ohne Gesamthöhe Spielräume, welche im Einzelfall zu einem unschönen Resultat führen können: So ist die Höhe der Attikageschosse nicht kantonal geregelt, wenn die Geschosszahl und die Fassadenhöhe vorgegeben sind (siehe § 22 Abs. 2 BauV). Also ist die Höhe der Attikageschosse in diesem Fall nur durch § 25 Abs. 1bis BauV begrenzt, da es nach dieser Vorschrift auf mindestens einer Seite um das Mass seiner Höhe gegenüber dem darunterliegenden Geschoss zurückversetzt sein muss. Bei einer grossen Fläche des darunterliegenden Geschosses und dem allseitig von den Fassaden zurückversetzten Attikageschoss (wegen der Fassadenhöhe) wären auch mehrgeschossige Attikas zulässig. Unseres Erachtens müsste es auch zulässig sein, dass die Gemeinden in der BNO die maximale Höhe von Attikageschossen definieren. Schliesslich wären oberste Vollgeschosse z. B. mit sehr hohen Schrägdächern zulässig, sofern keine giebelseitige Fassadenhöhe vorgeschrieben ist. Aus diesem Grund empfehlen wir, in der Bau- und Nutzungsordnung auch die Gesamthöhe festzulegen.

5. Fassadenhöhe (Ziff. 5.2 Anhang 1 zur IVHB)

Zur Fassadenhöhe müssen unseres Erachtens differenzierte Überlegungen angestellt werden: Auf den ersten Blick scheint es denkbar, nur die Fassadenhöhe festzulegen und auf Regelungen über die Geschossigkeit und über die Gesamthöhe zu verzichten. Die Höhe der Gebäude würde in einem solchen Fall durch die Fassadenhöhe und das Dachgeschoss bzw. das (in der Höhe begrenzte) Attikageschoss bestimmt. Indes scheint der IVHB ein anderes Verständnis zugrunde zu liegen: Die Bestimmungen über das Dachgeschoss und das Attikageschoss (wie auch über das Untergeschoss) kommen möglicherweise nur zur Anwendung, wenn die BNO die Geschossigkeit regelt. In diesem Fall (d. h. wenn eine Gemeinde die Anzahl Vollgeschosse nicht festlegt) würde die Festlegung der Fassadenhöhe alleine nicht genügen, um die Höhe einer Baute zu begrenzen.

In der Ebene ist zu entscheiden, ob eine einheitliche Fassadenhöhe genügt oder ob sie aufgeteilt werden muss in eine giebelseitige und eine traufseitige Fassadenhöhe. Das ist abhängig davon, ob auch die Gesamthöhe und / oder die Geschossigkeit definiert werden und welche Dachformen (nur Flachdächer? Symmetrische und asymmetrische Dächer?) in der betreffenden Zone zulässig sind. Am Hang ist zusätzlich zu prüfen, ob weiter differenziert werden muss in eine talseitige und eine hangseitige Fassadenhöhe.

Der Verzicht auf die Festlegung einer Fassadenhöhe dürfte vor allem wegen der grossen Kniestockhöhe (vgl. die nachfolgenden Ausführungen) zu einer unruhigeren und heterogenen Dachlandschaft mit «aufgerissenen» und vollständig genutzten Dachgeschossen mit Schrägdächern führen, sofern nicht korrigierend eingegriffen wird.

6. Kniestockhöhe (Ziff. 5.3 Anhang 1 zur IVHB, § 24 Abs. 1 lit. a und b BauV)

Die Kniestockhöhe dient als Hilfsgrösse für die Definition, wann ein Dachgeschoss als Vollgeschoss gilt. Wird die Kniestockhöhe überschritten, gilt ein Dachgeschoss als Vollgeschoss. Somit müssen nur Gemeinden, welche die Geschossigkeit regeln, die grosse Kniestockhöhe festlegen (wenn sie das Mass von 3.50 m gemäss § 24 Abs. 1 lit. b BauV als zu gross erachten).

Die Auswirkungen dieser grossen Kniestockhöhe sind von Gemeinde zu Gemeinde unterschiedlich: Je nach Neigung des Terrains, Ausrichtung und Beschränkung der Gebäudevolumen in der BNO. Am radikalsten wirkt sich die Einführung der grossen Kniestockhöhe in Gemeinden aus, die die Gebäudevolumen ausschliesslich über die Geschossigkeit regeln. In diesen Gemeinden kann inskünftig jedes Dach asymmetrisch gestaltet werden und damit bei Verwendung der grossen Kniestockhöhe zu einem nahezu vollständig nutzbaren Geschoss ausgebaut werden. Das führt zu einer erheblichen Verdichtung, falls keine Begrenzung durch geeignete Nutzungsziffern besteht. Am geringsten wird sich die Einführung der grossen Kniestockhöhe in jenen Gemeinden auswirken, welche das Bauvolumen über eine traufseitige Fassadenhöhe beschränken. Diese ist – sofern bezweckt – so festzulegen, dass die gemäss kantonalem Recht zulässige grosse Kniestockhöhe kaum noch realisiert werden kann.

Wir empfehlen den Gemeinden deshalb, die Auswirkungen der grossen Kniestockhöhe detailliert und pro Quartier differenziert zu prüfen. Damit die Dachfläche weiterhin vorherrschend bleibt, kann sich die Reduktion der grossen Kniestockhöhe empfehlen. Alternativ kann auch ein Mass definiert werden, das in Relation zur Gesamthöhe nicht überschritten werden darf (z.B. Mass der Differenz zwischen der Gesamthöhe und dem Schnittpunkt Fassadenflucht/Oberkante Dachkonstruktion). Denkbar ist auch, die grosse Kniestockhöhe auf Pultdächern zu beschränken und die Verwendung von Pultdächern einschränkend zu regeln (z. B. einheitliche Öffnungsrichtung, Beschränkung auf bestimmte Gebiete). Schliesslich kann auch eine allgemeine Regelung der Dachformen vor unschönen Resultaten bewahren.

7. Regelung der Geschossigkeit (Ziff. 6 Anhang 1 zur IVHB, § 22 BauV)?

Die Gemeinde kann weiterhin die zulässige Anzahl Vollgeschosse – die Geschossigkeit (Ziff. 6.1 Anhang 1 zur IVHB) – in den einzelnen Zonen regeln. Definiert sie die maximale Anzahl Vollgeschosse, hat sie folgende Abgrenzungsprobleme bzw. hat sie den folgenden Regelungsbedarf:

Höhe eines Vollgeschosses (Ziff. 2.5 Anhang 1 zur IVHB): Die Gemeinde muss prüfen, ob sie die Geschosshöhe festlegen will (§ 22 BauV). Das Bedürfnis kann vorhanden sein unabhängig davon, ob sie eine Gesamthöhe oder eine Fassadenhöhe vorgibt (siehe § 22 Abs. 2 BauV).

Abgrenzung Vollgeschoss (Ziff. 6.1 Anhang 1 zur IVHB)/Untergeschoss (Ziff. 6.2 Anhang 1 zur IVHB): Bei einem Bauvorhaben muss geprüft werden, ob ein Geschoss als Untergeschoss oder als Vollgeschoss gilt. Diese Ermittlung ist nicht immer einfach (z. B. wegen des «Mittelmasses» gemäss § 23 Abs. 1 BauV und wegen der Regelung über die Abgrabung gemäss § 23 Abs. 2 BauV). Zudem muss die Gemeinde prüfen, ob sie die Abgrabung abweichend vom kantonalen Recht (§ 23 Abs. 2 BauV) regeln möchte.

Abgrenzung Vollgeschoss (Ziff. 6.1 Anhang 1 zur IVHB)/Dachgeschoss (Ziff. 6.3 Anhang 1 zur IVHB): Bei einem Bauvorhaben muss geprüft werden, ob ein Geschoss als Dachgeschoss oder als Vollgeschoss gilt. Die Gemeinden sind berechtigt, die abweichende Festlegungen zur Dachgestaltung zu treffen (siehe § 24 Abs. 1 und Abs. 1bis BauV) und Mansarden- und Tonnendächer zuzulassen (§ 24 Abs. 3 BauV).

Abgrenzung Vollgeschoss (Ziff. 6.1 Anhang 1 zur IVHB)/Attikageschoss (Ziff. 6.4 Anhang 1 zur IVHB): Bei einem Bauvorhaben muss geprüft werden, ob ein Geschoss als Attikageschoss oder als Vollgeschoss gilt. Die Berechnung der Attikageschosse ist neu, enthält aber weiterhin Unsicherheiten (dürfen z. B. Loggias in die Vollgeschosse einberechnet werden (siehe § 25 Abs. 1 BauV) und wann gelten Beeinträchtigungen der Nachbargrundstücke als übermässig im Sinne von § 25 Abs. 2 BauV?).

Verzichtet eine Gemeinde auf die Regelung der Geschossigkeit, hat das folgende Konsequenzen: Die Höhe des Gebäudes wird nicht durch die Anzahl der zulässigen Geschosse (mit Untergeschoss, Dachgeschoss oder Attikageschoss) definiert. Deshalb erhalten die Gesamthöhe (Ziff. 5.1 Anhang 1 zur IVHB) und/oder die Fassadenhöhe (Ziff. 5.2 Anhang 1 zur IVHB) mehr Gewicht. Zudem sollte geprüft werden, ob es Bestimmungen über die Dachformen und -gestaltung, über die Abgrabungen bei Untergeschossen (dazu nachfolgend) und über die Höhe der Attikageschosse braucht.

8. Abgrabung bei Untergeschossen (Ziff. 6.2 Anhang 1 zur IVHB, § 23 BauV)

§ 23 Abs. 2 BauV bestimmt, dass Untergeschosse auf höchstens einem Drittel der Fassadenlänge abgegraben werden dürfen – soweit die Gemeinde nichts anderes festlegt. Als Untergeschosse gelten solche Geschosse, bei denen die Oberkante des fertigen Bodens im Mittel höchstens bis zum zulässigen Mass (im Mittel 80 cm, § 23 Abs. 1 BauV) über die Fassadenlinie ragt (Ziff. 6.2 IVHB).

Ungelöst ist die Frage, wie mit Geschossen umzugehen ist, welche gemäss Ziff. 6.2 Anhang 1 zur IVHB i. V. m. § 23 BauV als Untergeschoss gelten, obwohl der natürlich gewachsene Geländeverlauf (siehe Ziff. 1.1 Anhang zur IVHB) über dem gewachsenen Terrain (siehe § 13 Abs. 1 ABauV Anhang 3 zur IVHB) liegt (z. B. Baute in einer bestehenden Abgrabung): Kann ein Bauherr zur Wiederauffüllung verpflichtet werden, so dass die effektive Abgrabung nur noch einen Drittel beträgt? Unseres Erachtens braucht es dafür eine explizite gesetzliche Grundlage. Falls einer Gemeinde eine Wiederauffüllung bis zum natürlich gewachsenen Geländeverlauf möchte, müsste sie eine entsprechende gesetzliche Grundlage schaffen.

Eine Regelung gibt es nur für Abgrabungen bei Untergeschossen. Regelt eine Gemeinde die Geschossigkeit nicht, fehlt im kantonalen Recht – je nach Verständnis der IVHB – eine Begrenzung von Abgrabungen. Es ist an den Gemeinden, in der BNO eine Regelung zu treffen (z. B. Abgrabungen unter dem natürlich gewachsenen Geländeverlauf dürfen nicht tiefer als 3 m sein und höchstens einen Drittel der Fassadenlänge betragen).

9. Nutzungsziffern (Ziff. 8 Anhang 1 zur IVHB)/Beibehaltung der Ausnützungsziffer (§ 32 BauV)?

Die IVHB sieht verschiedene Nutzungsziffern vor (Ziff. 8 Anhang 1 zur IVHB), nämlich die Geschossflächenziffer (Ziff. 8.2 Anhang 1 zur IVHB), die Baumassenziffer (Ziff. 8.3 Anhang 1 zur IVHB) und die Überbauungsziffer (Ziff. 8.4 Anhang 1 zur IVHB) sowie die Grünflächenziffer (Ziff. 8.5 Anhang 1 zur IVHB). Weiterhin zulässig ist die Ausnützungsziffer, welche im Kanton Aargau sehr verbreitet ist.

Die Gemeinden sind unseres Erachtens frei, eine Nutzungsziffer der IVHB zu übernehmen. Sie dürfen die bisherige Ausnützungsziffer durch die Geschossflächenziffer nach IVHB ablösen oder aber auch die bisherige Ausnützungsziffer (§ 32 BauV) beibehalten. Ebenso dürfen sie die Ausnützungsziffer aufgeben und sie durch die Baumassenziffer ersetzen. Zudem sind Regelungen (auch in Kombination) mit den sogenannten Flächenanteilsziffern (Überbauungsziffer und Grünflächenziffer) gestattet.

Die Gemeinden können auch ganz auf Nutzungsziffern verzichten. Dabei sollten sie überlegen, wie sie die bauliche Dichte und das Volumen der Gebäude (Begrenzung der Gebäudelänge gemäss Ziff. 4.1 Anhang 1 zur IVHB und Gebäudebreite gemäss Ziff. 4.2 Anhang 1 zur IVHB, Grenzabstandsvorschriften mit Mehrlängenzuschlägen etc.) steuern.

Für uns stellen sich hauptsächlich die folgenden zwei Fragen:

  • Soll die Ausnützungsziffer durch die Geschossflächenziffer ersetzt werden (siehe Ziff. 10 hiernach)?
  • Soll anstelle der Ausnützungs- oder Geschossflächenziffer auf die Baumassenziffer gewechselt werden (siehe Ziff.11 hiernach)?

10. Ablösung der Ausnützungsziffer durch die Geschossflächenziffer (Ziff. 8.2 Anhang 1 zur IVHB)?

Mit der Ausnützungsziffer verwandt ist die Geschossflächenziffer. Beide sind Verhältniszahlen zwischen den anrechenbaren Geschossflächen respektive den Geschossflächen und der anrechenbaren Grundstücksfläche.

Die Ausnützungsziffer nimmt verschiedene Flächen von der anrechenbaren Geschossfläche aus (siehe § 32 Abs. 2 BauV), was ihre Anwendung erschwert. Zudem ist nachteilig, dass bei bestehenden Gebäuden existierende Nebenräume, in der Regel in Dach- und Untergeschossen, nicht einer zeitgemässen Nutzung zugeführt werden können, sobald die anrechenbare Geschossfläche erreicht ist. Das steht dem Gebot der inneren Verdichtung entgegen und ist deshalb nicht mehr zeitgemäss. Ausserdem ist die Gefahr, dass die Nebenräume widerrechtlich einer anrechenbaren Nutzung zugeführt werden, nicht von der Hand zu weisen.

Die Geschossflächenziffer (Ziff. 8.5 Anhang 1 zur IVHB) ist in der Anwendung einfacher, weil sie bis auf eine Ausnahme auf nicht anrechenbare Geschossflächen verzichtet und die Frage, welchem Zweck ein Raum dient, entfällt. Nicht anrechenbar sind einzig Flächen, deren lichte Höhe unter einem vom kantonalen Gesetzgeber festzulegenden Mindestmass liegt. Da die Bauverordnung das Mindestmass der lichten Höhe nicht definiert, muss dieses Mass von den Gemeinden, welche auf die Geschossflächenziffer abstellen möchten, festgelegt werden. Wir empfehlen, das Mass, wie es für die Ausnützungsziffer gilt (§ 32 Abs. 2 lit. a Ziff. 6 BauV), zu übernehmen und das Mass der lichten Höhe auf 1,50 m festzulegen.

Für die Umrechnung der Ausnützungsziffer zur Geschossflächenziffer gibt es keine feste Formel. Je nach Definition der Ausnützungsziffer, der Befreiung von Dach- und Untergeschossen sowie örtlichen und zonenspezifischen Gegebenheiten kann die Grösse der nicht anrechenbaren Flächen, welche es in der Geschossflächenziffer zu integrieren gilt, unterschiedlich ausfallen. Wichtig ist, dass durch den Wechsel auf die Geschossflächenziffer die bestehenden Gebäude nicht rechtswidrig werden und Überbauungsreserven, die nach altem Recht bestanden haben, nicht verloren gehen.

11. Wechsel von der Ausnützungsziffer auf die Baumassenziffer (Ziff. 8.3 Anhang 1 zur IVHB, § 31 BauV)?

Die Baumassenziffer steuert das Volumen des sichtbaren, oberirdischen Baukörpers, genauer das Volumen des Baukörpers, der sich oberhalb des natürlich gewachsenen Geländeverlaufs befindet. Wird das massgebende Terrain abweichend vom natürlich gewachsenen Geländeverlauf festgelegt (Ziff. 1.1 Satz 3 Anhang 1 zur IVHB), ist unseres Erachtens auf dieses abweichende Terrain abzustellen.

Der Vorteil der Baumassenziffer sehen wir in der Einfachheit: Das Bauvolumen lässt sich rechnerisch ermitteln und bedarf keiner Korrekturen (keine Nichtanrechenbarkeit von bestimmten Volumen). Allerdings ist die Volumenberechnung schwieriger (z. B. Einbezug der Dachaufbauten) als z. B. die Berechnung der Geschossflächen bei der Geschossflächenziffer. Zu beachten ist auch, dass das Bauvolumen über massgebendem Terrain von Unterniveaubauten und Kleinbauten, selbstverständlich auch von Anbauten, ebenfalls einzuberechnen ist.

Elegant ist die Baumassenziffer, weil auch sie am massgebenden Terrain gemäss Ziff. 1.1 Anhang 1 zur IVHB anknüpft, wie das auch die Gesamthöhe, die Fassadenhöhe, das Untergeschoss etc. machen.

12. Zusammenfassende Empfehlungen

  • Festlegung des massgebenden Terrains in Abweichung vom natürlich gewachsenen Geländeverlauf, wo immer das zweckmässig ist.
  • Kein Verzicht auf die Geschossigkeit.
  • Differenzierte Regelung der Fassadenhöhe eventuell in Kombination mit einer Gesamthöhe.
  • Regelung der Dachformen.
  • Spezielle Prüfung der Auswirkungen der grossen Kniestockhöhe.
  • Einführung der Geschossflächenziffer anstelle der Ausnützungsziffer.

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