Im Kanton Zürich gibt es rund 4700 Baudenkmäler, also bereits geschützte Objekte. Dazu kommen unzählige «lediglich» inventarisierte Objekte, also solche, für welche eine rechtliche Schutzvermutung besteht. Selbst nicht inventarisierte Objekte sind nicht davon befreit, unter Umständen als schutzwürdig
erklärt zu werden. Dieser Beitrag beleuchtet das Verfahren der Unterschutzstellung kommunaler Baudenkmäler und zeigt Handlungsspielräume von betroffenen Grundeigentümern und Gemeinden in den einzelnen Phasen auf.
1. Aufnahme von Gebäuden in das kommunale Inventar
Die Gemeinden sind beauftragt, über die potenziellen Schutzobjekte von kommunaler Bedeutung Inventare zu erstellen (§ 203 Abs. 2 PBG; § 4 KNHV). Mit der Erstellung bzw. Überarbeitung von Inventaren beauftragen Gemeinden regelmässig spezialisierte externe Dienstleister. Deren Auftrag ist es, die Gebäude im Gemeindegebiet zu begutachten (im Regelfall von aussen) und potenziell schutzwürdige Objekte zu bezeichnen und kurz zu umschreiben. Für inventarisierte Objekte besteht eine sogenannte Schutzvermutung. Unterdessen haben viele Gemeinden ihre Inventare erstellt. Das Inventar wird vom Gemeinderat festgesetzt. Dem Gemeinderat steht beim Entscheid darüber, welche Objekte ins Inventar aufzunehmen sind, ein Spielraum zu (Gemeindeautonomie, Art. 50 Abs. 1 BV). Für die Inventarisierung (mit dem Erfordernis, dass bei einem Bauvorhaben die Schutzwürdigkeit konkret geprüft
werden muss) ist nach der herrschenden Lehre und Praxis einzig die potenzielle Schutzwürdigkeit vorausgesetzt. Gemäss Bundesgericht dürfen an die potenzielle Schutzwürdigkeit keine besonders strengen Anforderungen gestellt werden, weil sonst keine lückenlose Erfassung der potenziellen
Schutzobjekte möglich ist. Als unzulässig bzw. willkürlich wurde beispielsweise die Nichtaufnahme eines Gebäudes qualifiziert, dem gemäss fachmännischer Beurteilung ein besonderer Situationswert attestiert wurde und welches zudem noch über teilweise alte Substanz verfügte (VB.2022.00065, E. 4.4.1). Mit dieser Festsetzung ist das Gebäude (noch) nicht formell geschützt. Die Festsetzung ist als behördenverbindliche Anordnung zu verstehen, dafür zu sorgen, dass die Schutzobjekte geschont werden und, wo das öffentliche Interesse an ihnen überwiegt, erhalten bleiben (§ 204 PBG). Es handelt sich um eine blosse Verwaltungshandlung ohne Verfügungscharakter, weshalb gegen die Aufnahme eines konkreten
Objekts in ein kommunales Inventar kein Rechtsmittel ergriffen werden kann (Entscheid des Bundesgerichts 1C_92/2021 vom Juni 2021, E. 2.1). Letzteres gilt auch für Natur- und Heimatschutzverbände, sofern hinsichtlich des nicht inventarisierten Objekts keine begründete Vermutung einer potenziell hochgradigen Schutzwürdigkeit nachgewiesen werden kann (Entscheid
des Baurekursgerichts III 0206/2021 vom 15. Dezember 2021). Die Vermutung einer potenziell hochgradigen Schutzwürdigkeit liegt namentlich dann vor, wenn die Liegenschaft offensichtlich
zu Unrecht oder gar in willkürlicher Weise nicht ins Inventar aufgenommen worden ist (Entscheid des Verwaltungsgerichts des Kantons Zürich VB.2022.00065 vom 10. November 2022).
2. Inventareröffnung
Die (Neu-)Inventarisierung eines Objekts kann der Gemeinderat der Eigentümerschaft in Form einer sogenannten Inventareröffnung mitteilen, er ist hierzu aber nicht verpflichtet. Erst wenn Anzeichen für unrechtmässige Eingriffe in das Schutzobjekt bestehen (Einreichung eines Baugesuchs, Provokationsbegehren, sonstige Anzeichen), muss der Gemeinderat der Eigentümerschaft die Inventarisierung bekanntgeben. Die Inventareröffnung bewirkt ein einjähriges Veränderungsverbot bzw. eine Bewilligungspflicht für sämtliche Veränderungen (§ 209 Abs. 1 und 2 PBG). Nach Ablauf der Jahresfrist fällt das Veränderungsverbot ersatzlos dahin (FRITZSCHE/BÖSCH/WIPF/KUNZ, Zürcher Planungs- und Baurecht, 2024, Band 1, S. 337 ff.).
3. Definitive Schutzmassnahmen mittels Schutzverfügung
Das Gesetz sieht vor, dass Baudenkmäler durch definitive Schutzmassnahmen zu erhalten sind (§ 205 PBG). Diese Massnahmen sollen schädigende Eingriffe verhindern, insbesondere selbstverständlich den Verlust historischer Bausubstanz, sowie Pflege und Unterhalt nachhaltig sichern (§ 207 Abs. 1 PBG). Bei kommunalen Schutzobjekten erfolgt dies mehrheitlich durch einen Schutzvertrag zwischen Gemeinderat und Eigentümerschaft (§ 205 Abs. 1 lit. d PBG). Ein Vertrag setzt das Einverständnis aller Vertragsparteien voraus. Sofern die Eigentümerschaft mit der Unterschutzstellung und/oder dem Schutzumfang, den die Gemeinde vorschlägt, nicht einverstanden ist, bleibt dem Gemeinderat in den meisten Fällen nur noch die Unterschutzstellung und die Festlegung des Schutzumfangs mittels Verfügung (§ 205 Abs. 1 lit. c PBG). Zur historischen Beurteilung des konkreten Objekts wird die Gemeinde regelmässig ein Fachgutachten
einholen (§ 7 Abs. 1 VRG). Für die Kosten dieses Gutachtens hat die Gemeinde aufzukommen.
Vorteilhaft erweist sich das Rechtsinstitut des Schutzvertrags deshalb, weil in einem Schutzvertrag auch die Bedürfnisse der Eigentümerschaft berücksichtigt werden können. So kann zum Beispiel auf ein konkretes Projekt hin eine massgeschneiderte Lösung erarbeitet werden. Dabei können – im Rahmen des dem Gemeindeorgan zustehenden Ermessens – gegenseitig Zugeständnisse gemacht werden.
Der Schutzvertrag kann einvernehmlich abgeändert werden, was ein Vorteil sein kann.
Ein Blick in die Rechtspraxis zeigt allerdings, dass sich Gemeindeorgane kaum noch trauen, von ihrem Ermessensspielraum (zugunsten der Eigentümerschaft) Gebrauch zu machen. Dies liegt im Kanton Zürich unter anderem daran, dass der Zürcher Heimatschutz ZVH als verbandsbeschwerdeberechtigte Institution sehr aktiv gegen Inventar- und Schutzentlassungen, Teilunterschutzstellungen etc. vorgeht. Es ist in der Praxis eine eindeutige Tendenz zu einer inhaltlichen Aushöhlung von § 211 Abs. 2 PBG zu erkennen, wonach der Gemeindevorstand (und nicht der ZVH) die Schutzmassnahmen für Objekte kommunaler Bedeutung trifft (§ 211 Abs. 2 PBG). Dem Gemeinderat sei empfohlen, sich über seine Spielräume bereits früh im Prozess klar zu werden. Dies beginnt bereits bei der Bestimmung der Gutachterin bzw. Gutachters. Beim Entscheid, ob ein Objekt unter Schutz gestellt werden soll, verfügen die Gemeinden über ein erhebliches Auswahlermessen. Sie dürfen unter mehreren infrage kommenden Objekten eine Auswahl treffen und diejenigen selektionieren, welche sie in Beachtung aller Umstände als für die Unterschutzstellung am geeignetsten halten (RB 1989 Nr. 67). Der Gemeinde steht zudem auch bei der Festsetzung des Schutzumfangs ein erheblicher Beurteilungsspielraum und damit Autonomie zu (vgl. Urteile des Bundesgerichts 1C_595/2013 und 1C_596/2013 vom 21. Februar 2014, E. 4.1.1 f.; MARCO DONATSCH, Kommentar VRG, § 20 N. 85). Der Gemeinderat muss aber darauf achten, dass er seinen
Entscheid sorgfältig begründet. Das betrifft namentlich die Verhältnismässigkeit und die Interessenabwägung unter Berücksichtigung aller einzelfallrelevanten Faktoren. Tut er das, ist gegen seinen Entscheid kaum anzukommen.