LEXPRESS Spielplätze…!

Das Thema ist ernst gemeint! Spielplätze sind Gegenstand vieler Auseinandersetzungen um Mehrfamilienhäuser. Diese Auseinandersetzungen können rechtlich herausfordernd sein. Mit dem Baurecht-LEXpress möchten wir ein paar Hinweise zur rechtlichen Ordnung der Spielplätze geben.

1. Regelung im Baugesetz des Kantons Aargau

Das kantonale Recht schreibt die Erstellung von kindergerechten Spielplätzen bei Mehrfamilienhäusern vor (§ 54 BauG). Diese Vorschrift bestand beinahe deckungsgleich schon im alten Baugesetz von 1971 (vgl. § 168 aBauG) und wurde bei der Revision des Baugesetzes 1993 auf die heutige Version eingekürzt, ohne den Sinn zu verändern (vgl. Verena Sommer­halder Forestier, Kommentar zum Baugesetz des Kantons Aargau, N 2 zu § 54 BauG). Zusätzlich bestimmt das kantonale Recht, dass bei Arealüberbauungen gute Spiel-, Freizeit-, Erholungs- und Gartenanlagen sowie ökologische Ausgleichs­flächen vorzusehen sind (§ 39 Abs. 2 lit. f BauV).

Die Tatsache, dass Spielplätze im kantonalen Recht geregelt sind, zeigt die hohe Bedeutung von Spielplätzen. Der Kommentator des Baugesetzes von 1971, Erich Zimmerlin, hält fest, dass aufgrund der Verknappung des Bodens Freiflächen immer mehr eingeschränkt werden, was zu Lasten der Kinder geht. Die Kinder benötigen aber in Wohnungsnähe Spielgelegen­heiten, insbesondere da das Spielen auf Strassen immer gefährlicher und unmöglicher wird (vgl. Erich Zimmerlin, Kommentar zum Baugesetz des Kantons Aargau, 2. Aufl., N 8 zu §§ 167/168). Was 1971 galt, ist heute angesichts der baulichen Verdichtung auf engem Raum erst recht richtig (siehe auch Verena Sommer­halder Forestier, Kommentar zum Baugesetz des Kantons Aargau, NN 4 ff. zu § 54 BauG).

Das kantonale Recht regelt die Erstellung von Spielplätzen nicht umfassend. Vor allem regelt es nur die Spielplätze auf privatem Grund. Hierfür gibt es ein paar Eckpunkte vor: Spielplätze sind bei Mehrfamilienhäusern zu erstellen, sie müssen kindergerecht sein und sich an geeigneter Lage befinden (§ 54 Abs. 1 BauG).

1.1 Mehrfamilienhäuser

Spielplätze sind (nur) bei Mehrfamilienhäusern zu erstellen (§ 54 Abs. 1 BauG). Im Kanton Aargau gelten Gebäude ab vier Wohneinheiten als Mehrfamilienhäuser (§ 18 BauV). «Wohneinheiten» sind in sich abgeschlossene Wohnungen mit einem eigenen Eingang, in denen ein selbstständiger Haushalt (mit Küche / Kochecke, Dusche / Bad, Toilette) geführt werden kann. Für die Definition als Wohneinheit spielt es keine Rolle, ob die Räume leer stehen, bewohnt werden oder als Zweit- oder Ferienwohnung genutzt werden. Ebenso wenig spielt es eine Rolle, über wie viele Räume eine Wohneinheit verfügt.

Weist ein Haus mehr als vier Wohneinheiten auf, muss ein Spielplatz erstellt werden. Das Baugesetz nimmt keine Rücksicht auf das effektive Bedürfnis nach einem Spielplatz: Zu einem Wohnhaus für Studenten oder ausländische Arbeitnehmer oder für das Pflegepersonal oder für betagte Personen muss ein Spielplatz erstellt werden, der Wortlaut von § 54 BauG sieht keine Ausnahmen vor. Der Baugesetzgeber ging offenbar davon aus, dass solche Wohneinheiten auch Familien zugeführt oder die Wohneinheiten (Studies, Kleinwohnungen) in Familienwohnungen umgebaut werden könnten.

Ebenso wenig differenziert das Baugesetz nach der Zonenzugehörigkeit: Die Erstellung von Spielplätzen zu Mehrfami­lienhäusern ist nicht nur in den Wohnzonen, sondern auch in der Altstadt- oder der Dorfzone vorgeschrieben. Spielplätze in Altstadt- oder Dorfzonen sind jedoch oft nicht möglich und auch nicht sachgerecht.

Die Lösung führt über kluge kommunale Bestimmungen, über Ausnahmebewilligungen oder über die Ersatzabgabe (siehe Ziff. 3 nachfolgend).

1.2 Kindergerechte Spielplätze

Spielplätze müssen kindergerecht sein (§ 54 Abs. 1 BauG). Kantonal vorgeschrieben sind also nur Spielplätze für Kinder, nicht auch beispielsweise Aufenthaltsflächen für Erwachsene oder Erholungsflächen und Ähnliches. Was unter «kindergerecht» zu verstehen ist, erklärt das Baugesetz nicht. Gemeint ist aber zweifellos ein Raum, in welchem sich die Kinder (bis 16-jährig) wohl fühlen und zum Spielen angeregt werden. Dieses Ziel kann auf viele Arten erreicht werden, nicht jeder Spielplatz muss alle Möglichkeiten ausschöpfen. Notwendig sind Wiesen oder andere Aufenthaltsflächen. Beliebt sind Angebote zum Klettern, Rutschen, Schaukeln, ebenso Rückzugsorte (Spielhäuschen und -nischen), oft werden auch ­Sandkasten, Tischtennistische und Basketballkörbe angeboten (siehe Verena Sommer­halder Forestier, Kommentar zum Baugesetz des Kantons Aargau, N 15 zu § 54 BauG). Ausserdem müssen die Spielplätze so ausgestaltet sein, dass sie (auch für Kleinkinder) ungefährlich sind: Nötig sind Absturzsicherungen, Abgrenzungen zu Verkehrsträgern und Teichen etc.

1.3 Geeignete Lage

Die Spielplätze müssen an «geeigneter Lage» erstellt werden (§ 54 Abs. 1 BauG). Kriterien hierfür sind beispielsweise die Erreichbarkeit, die Entfernung zu Verkehrsträgern, die Besonnung bzw. Beschattung, die Distanz zu lärmempfindlichen Räumen sowie die Sicht- und Rufweite. Ausserdem sollten Spielplätze für Kinderwagen zugänglich sein. Das bedeutet nicht, dass bei jedem Mehrfamilienhaus ein Spielplatz erstellt werden muss. Zulässig ist auch ein gemeinsamer Spielplatz für mehrere Mehrfamilienhäuser. Wird ein Spielplatz für mehrere Mehrfamilienhäuser, die auf unterschiedlichen Parzellen liegen, gemeinsam erstellt, ist das privatrechtlich zu regeln (Dienstbarkeitsvertrag). Ausserdem sind die Eigentums­beschränkungen im Grundbuch anzumerken.

2. Regelung in den aargauischen Gemeinden

Die Gemeinden sind frei, in ihren Bau- und Nutzungsordnungen (BNO) das kantonale Recht zu konkretisieren und zu ergänzen. Das tun sie denn auch: So konkretisieren die BNO beispielsweise die Grösse der Spielplätze (oft 15 % der anrechenbaren Geschossfläche der Mehrfamilienhäuser), die Ausgestaltung der Spielplätze (Berücksichtigung der Spielbedürfnisse unterschiedlicher Altersgruppen; qualitative Anforderungen mit Verweisung auf Merkblätter; «zweckmässige Ausstattung», Sitzbänke und Abfalleinrichtungen) und die Lage der Spielplätze (maximale Entfernung zum Mehrfamilienhaus; vom Verkehr abgewandt; an gut besonnter Lage). Gelegentlich ergänzen sie das kantonale Recht mit Vorschriften zum Unterhalt der Spielplätze, zum hindernisfreien Zugang zu Spielplätzen und Ähnliches.

3. Abweichungen von der Erstellungspflicht

Die Ziele des kantonalen Gesetzgebers, bei Mehrfamilien­häusern an geeigneter Lage kindergerechte Spielplätze zu haben, lassen sich nicht immer erreichen (z. B. in der Altstadtzone). Manchmal ist das Ziel auch falsch (z. B. bei Wohn­einheiten für Wochenaufenthalter zu Unternehmungen). Es fragt sich, wie solchen Situationen zu begegnen ist. Dem kommunalen Ausführungsrecht sind Grenzen gesetzt, ebenso der Ausnahmebewilligung (§ 67 BauG). Eine Lösung könnte die Ersatzabgabe sein.

3.1 Kommunales Ausführungsrecht zu § 54 BauG

Das kommunale Recht muss § 54 BauG respektieren. Es darf daher nicht festlegen, dass in Altstadt-, Kern- und Zentrumszonen keine Spielplätze bei Mehrfamilienhäusern erstellt werden müssen. Eine solche Bestimmung würde gegen den klaren Wortlaut von § 54 BauG verstossen.

Hingegen darf die BNO festlegen, dass (gemeinschaftliche) Spielflächen im Gebäudeinnern, auf Terrassen oder auf Flachdächern erstellt werden dürfen, falls in der Umgebung keine Möglichkeiten bestehen. Solche Regelungen konkretisieren die «geeignete Lage», müssen aber den herrschenden Verhältnissen angemessen sein.

Sodann darf die BNO die Grösse des Spielplatzes nach Massgabe des örtlichen Umfelds festlegen. Beispielsweise sieht die BNO der Stadt Baden vor, dass in Altstadt-, Kern- und Zentrumszonen die Grösse aufgrund der örtlichen Umstände festgelegt werden darf:

2 Diese Flächen müssen in der Regel mindestens 15 % der zu Wohnzwecken genutzten anrechenbaren Geschossfläche betragen. In den Altstadt-, Kern- und Zentrumszonen, der Bäderzone sowie der Innenstadtzone Nord wird die realisierbare Fläche aufgrund der örtlichen Umstände festgelegt.

Mangels eines konkreten Flächenerfordernisses in § 54 BauG ist diese Regelung mit dem übergeordneten Recht vereinbar. Wichtig ist, dass ein Spielplatz realisiert wird und im von § 54 BauG vorgeschriebenen Sinn zur Verfügung steht.

3.2 Ausnahmebewilligung

Fraglich ist, ob mittels einer Ausnahmebewilligung nach § 67 BauG von der Pflicht zur Erstellung eines Spielplatzes entbunden werden darf. Die Voraussetzungen für eine Ausnahmebewilligung sind hoch. Insbesondere muss ein Einzelfall vorliegen, den der Gesetzgeber, hätte er davon gewusst, abweichend geregelt hätte. Dass es solche Einzelfälle gibt, kann aus dem Kommentar zum Baugesetz von Erich Zimmerlin geschlossen werden: Danach sind Ausnahmen möglich in den Fällen, in denen Spielplätze keinen Sinn machen wie Appartement­häuser für Studenten, Krankenschwestern oder Betagte (vgl. Zimmerli, a.a.O., N. 9 zu § 167/168). Ausnahmesitua­tionen sind selten und müssen sehr gut begründet sein.

3.3 Ersatzabgabe

Der Pflicht zur Erstellung eines Spielplatzes könnte entgangen werden durch Bezahlung einer Ersatzabgabe (vergleichbar mit der Ersatzabgabe zur Parkplatzerstellungspflicht). Eine solche Ersatzabgabe sieht die BNO der Stadt Baden vor:

4 Ist das Erstellen der gemäss Absatz 1 bis 3 geforderten Spiel- und Aufenthaltsflächen nicht möglich, hat die Bauherrschaft eine Ersatzabgabe zu leisten, deren Höhe den voraussichtlichen Erstellungskosten der entsprechenden Anlagen entspricht. Der Erlös ist für die Erstellung neuer oder die Aufwertung bestehender Spielplätze auf öffentlichem Grund zu verwenden.

In der Literatur sind Ersatzabgaben wie folgt definiert: Ersatzabgaben sind finanzielle Leistungen als Ersatz für Naturallasten (nicht-finanzielle öffentlich-rechtliche Verpflichtungen), von denen die Pflichtigen dispensiert werden, sofern sie bestimmte gesetzliche Voraussetzungen erfüllen (vgl. Häfelin/Müller/­Uhlman, Allgemeines Verwaltungsrecht, 8. Aufl., N 2753; siehe zum Begriff der Parkplatzersatzabgabe: Urteil des Bundesgerichts 2C_541/2008 vom 13. November 2008, E. 4). Die Gemeinden im Aargau haben zwar keine eigene Steuerhoheit (vgl. § 117 Abs. 2 KV; Kurt Eichenberger, Verfassung des Kantons Aargau, N 3), aber sie dürfen beispielsweise Ersatzabgaben erheben, solange der Kanton keine übergeordnete Regelung getroffen hat (Eichenberger, a.a.O., N 5).

Fraglich ist, ob eine Spielplatzersatzabgabe mit § 54 BauG vereinbar ist. Der Kommentator des (alten) Baugesetzes, Erich Zimmerlin, hielt dazu fest, dass von der Erstellung von Spielplätzen auf privatem Grund abgesehen werden kann, wenn in unmittelbarer Nähe ein öffentlicher Spielplatz besteht, den die Gemeinde in Erfüllung einer sich selbst gestellten Aufgabe errichtet hat (vgl. Zimmerlin, a.a.O., N 12 zu § 167/168). Daraus kann abgeleitet werden, dass eine Ersatzabgabe zulässig ist, wenn einerseits die Erstellung eines Spielplatzes unmöglich oder unverhältnismässig ist, aber andrerseits in unmittelbarer Nähe ein öffentlicher Spielplatz oder ein privater Spielplatz zur Mitbenutzung zur Verfügung steht (vgl. auch Adriano Marantelli, Das Bundesgericht schützt die «Aufenthalts-Ersatz­abgabe», in: Zeitschrift für Schweizerisches und Internationales Steuerrecht 2010, Ziff. 1.3).

Zusammenfassend kann festgehalten werden, dass die Festsetzung einer Ersatzabgabe im kommunalen Recht durch die Gemeinde zulässig ist. Allerdings muss die mit § 54 BauG aufgestellte Pflicht zur Spielflächenerstellung umgesetzt werden, d. h. es müssen in unmittelbarer Nähe Spielplatzflächen (bspw. ein öffentlicher Spielplatz) vorhanden sein.

4. Lärm

Spielplätze verursachen Lärm. Dieser Lärm kann Nachbarn und Anwohner belasten. Das setzt den Spielplätzen lärmrechtliche Grenzen.

Spielplätze für Kinder und Jugendliche gehören zur Ausstattung von Mehrfamilienhäusern und sind daher in Wohnzonen grundsätzlich zu dulden. Es sind jedoch Anlagen im Sinne von Art. 7 Abs. 7 USG, weshalb der Spielplatzlärm eine Immission im Sinne von Art. 7 Abs. 1 USG ist. Das Bundesgericht hat allerdings festgehalten, dass ein in üblicher Weise betriebener Kinderspielplatz einer Wohnüberbauung regelmässig hin­reichend Garant dafür sei, dass die zulässige Lärmbelastung nicht überschritten werde, weshalb in solchen Fällen zum vornherein auf eine Lärmerhebung verzichtet werden könne. Massnahmen der Emissionsbegrenzung im Sinne von Art. 11 USG müssten erst bei Überschreitung des Normalbetriebs, etwa bei einer häufigen nächtlichen Benützung, ins Auge gefasst werden (BGE 123 II 74 ff.; Urteil des Bundesgerichts vom 19. November 1996, publiziert in: URP 1997 S. 134 und 331 ff.). Spielplätze, die von ihrer Grösse und Ausstattung her auf den Betrieb während des Tages ausgerichtet sind und auch nicht für bspw. Ballspiele durch ältere Kinder und Jugendliche geeignet sind, sind lärmrechtlich unproblematisch. Befürchtungen von Anwohnern, dass der Spielplatz «zweckentfremdet» wird und bspw. von älteren Jugendlichen zu Aufenthaltszwecken abends genutzt wird, sind polizeiliche Probleme: Solche Störungen der Nachtruhe müssen auf polizeilichem Weg gelöst werden.

5. Sicherung von Spielplatzflächen

Die Baubewilligung verleiht das Recht, den bewilligten Bau auszuführen und ihn seinem Zweck entsprechend zu benutzen. Aus der Baubewilligung ergeben sich nicht nur Rechte, sondern auch Pflichten, die fortbestehen, solange die Baute benutzbar ist, z. B. in Bezug auf Erschliessung, Baureife und Abstellplätze. Das gilt auch für die Spielplätze: Sie sind gemäss erteilter Bewilligung zu erhalten und zu nutzen, Änderungen sind nur mittels Baubewilligung zulässig. Die ursprünglich bewilligte Spielplatzfläche darf daher nicht ohne Baubewilligung reduziert oder qualitativ verändert werden. Zur rechtlichen Sicherung sind neben der Baubewilligung Dienstbarkeitsverträge und Anmerkungen im Grundbuch gebräuchlich.

VOSER RECHTSANWÄLTE

Dr. Peter Heer

MLaw Dominik Greder

MLaw Jacqueline Alf

Die Autorinnen und Autoren dieses Beitrags:

Dr. Peter
Heer
Rechtsanwalt, Fachanwalt SAV Bau- und Immobilienrecht
+41 56 203 10 39
p.heer@voser.ch
MLaw Jacqueline
Alf
Rechtsanwältin
+41 56 203 15 43
j.alf@voser.ch
MLaw Dominik
Greder
Rechtsanwalt, MAS UZH in Real Estate
+41 56 203 10 39
d.greder@voser.ch
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