Notariat / Rechtsfall 16
Kann ich mein ganzes Vermögen meinen Kindern schenken und mir so die Pflegekosten sparen?
Ja. Die Pflegekosten können durch eine Verschenkung des gesamten Vermögens gespart werden. Allerdings kann diese Schenkung für den Schenker, die Beschenkten und/oder die Verwandten des Schenkers gravierende Folgen haben. Der Schenker erhält allenfalls keine Ergänzungsleistungen und muss für die Deckung seiner Kosten unter Umständen Sozialhilfe beziehen. Bezieht der Schenker Sozialhilfe, können Verwandte gestützt auf die Verwandtenunterstützungspflicht zur Kasse gebeten werden.
Detaillierte rechtliche Auslegung
Im Zeitalter von explodierenden Pflegekosten macht sich manch einer Gedanken darüber, wie einem Wegschmelzen des gesamten Vermögens vorgesorgt werden kann. Beliebt sind Schenkungen an Nachkommen. Doch welche Folgen können diese Schenkungen für den Schenker, die Beschenken und weitere Angehörige haben.
1. Gesetzliche Grundlagen
Wird das ganze Vermögen verschenkt, kann es sein, dass neben den monatlich ausbezahlten Renten zu wenig Vermögen für die Bezahlung der Pflegeheimkosten vorhanden ist. In einer solchen Situation stellt sich die Frage, wer diese Pflegekosten bezahlt.
Zunächst ist zu prüfen, ob die Kosten durch Ergänzungsleistungen bezahlt werden. Nicht berücksichtigt bei der Prüfung, ob ein Anspruch auf Ergänzungsleistungen besteht, werden einzig Schenkungen von jährlich bis CHF 10’000.00. Für die Berechnung des Anspruchs auf Ergänzungsleistungen werden Schenkungen, die diesen Betrag übersteigen, als Vermögen ange-rechnet, wie wenn es noch vorhanden wäre. Der verschenkte Betrag wird einzig um CHF 10’000.00 pro Jahr verringert. Die Schenkung kann daher dazu führen, dass, obwohl kein Kapital beim Pflegebedürftigen mehr vor-handen ist, kein Anspruch auf Ergänzungsleistungen besteht.
Können die nicht gedeckten Pflegekosten nicht durch Ergänzungsleistun-gen bezahlt werden, kommt die Sozialhilfe zum Zug. Die Sozialhilfe deckt den nicht durch andere Institutionen (insbesondere die Krankenkasse) gedeckten Betrag der Pflegekosten.
Muss der Pflegebedürftige für die Begleichung seiner Pflegekosten Sozialhilfe beziehen, kann die Sozialbehörde insbesondere gegenüber den Nachkommen unter Umständen die Pflicht auf Verwandtenunterstützung geltend machen. Voraussetzung für die Verwandtenunterstützungspflicht ist jedoch, dass die unterstützungspflichtigen Personen folgende Einkommens- und Vermögensschwellen überschreiten:
Einkommen:
Ehepaare ab CHF 180’000.00
Einzelpersonen ab CHF 120’000.00
zuzüglich CHF 20’000.00 je Kind
Vermögen:
Ehepaare CHF 500’000.00
Einzelpersonen CHF 250’000.00
zuzüglich CHF 20’000.00 pro Kind
Bei einem steuerbaren Vermögen, welches die vorstehenden Werte übersteigt, wird in Abhängigkeit des Alters der unterstützungspflichtigen Person ein jährlicher Vermögensverzehr dem steuerbaren Einkommen hinzugerechnet (z. B. bei über 60-jährigen jährlich 5%).
Leben einzelne oder mehrere Nachkommen in guten finanziellen Verhältnissen, ist es möglich, dass sie für die Pflegekosten der Eltern einzustehen haben. Diese gesetzliche Unterstützungspflicht besteht jedoch unabhängig davon, ob der unterhaltsverpflichtete Nachkomme Schenkungen von den Eltern erhalten hat oder nicht.
2. Fazit
Auch wenn das Verschenken von Vermögenswerten tauglich ist, Pflegekosten zu sparen, muss sich jeder überlegen, ob dieses Vorgehen sinnvoll und auch moralisch vertretbar ist. Der Schenker muss bereit sein, schlimmstenfalls Sozialhilfe zu beziehen. Ausserdem nimmt man in Kauf, dass über den Notbedarf ausgehende Pflegeleistungen mangels finanzieller Mittel nicht in Anspruch genommen werden können. Dies kann sich im Alter empfindlich auf die sonst schon infolge von Alterserscheinungen beeinträchtigte Lebensqualität auswirken.