LEXPRESS Mehrwertsteuer

Neue Praxis beim Verkauf von Grundstücken

Einleitung

Der Verkauf von überbauten oder unüberbauten Grundstücken löst in der Regel keine Mehrwertsteuern aus. Er führt beim Verkäufer zu einem von der MWST ausgenommenen Umsatz. Dies gilt dann nicht, wenn der Verkauf von neu erstellten Einfamilienhäusern und Eigentumswohnungen als werkvertragliche Lieferung qualifiziert wird. Die Eidgenössische Steuerverwaltung ESTV hat ihre Praxis zur Abgrenzung zwischen dem von der MWST ausgenommenen Grundstücksverkauf und der mehrwertsteuerpflichtigen werkvertraglichen Lieferung jüngst geändert.

Nachfolgend legen wir die unterschiedlichen MWST-Folgen dar und gehen wir auf die massgebende Praxis ein.

1. Verkauf eines Grundstückes: von der MWST ausgenommener Umsatz

Der Verkauf eines Grundstückes führt beim Verkäufer grundsätzlich zu einem von der MWST ausgenommenen Umsatz und löst keine MWST aus. Das gilt unabhängig davon, ob das Grundstück überbaut ist oder nicht.

Der Verkäufer kann den Grundstücksverkauf unter bestimmten Voraussetzungen freiwillig der MWST unterstellen (sog. Option für die Steuerpflicht). Tut er das, hat er vom Käufer 8% MWST zu erheben und abzuliefern. Im Gegenzug kann er die ihm weiterbelasteten MWST als Vorsteuern in Abzug bringen. Eine Option ist nur zulässig, wenn die Käuferschaft das Grundstück nicht ausschliesslich für private Zwecke nutzt. Beim Verkauf von privatem Wohneigentum ist eine Option daher nicht möglich.

Beispiel (ohne Option)

Die Eheleute Koller kaufen ein fünfjähriges Einfamilienhaus. Der Kaufpreis beträgt CHF 1 Mio. Der Kauf löst keine MWST aus. Der Verkäufer kann die MWST, welche ihm auf den Bau- und den Unterhaltskosten des Hauses belastet worden sind, nicht als Vorsteuern in Abzug bringen.

2. Überbauung eines Grundstückes: werkvertragliche Lieferung

Wer für einen fremden Grundeigentümer ein Grundstück überbaut oder Umbauarbeiten ausführt, hat auf dem ihm zustehenden Entgelt (Werklohn) 8% MWST zu erheben (vgl. Art. 18 Abs. 1 i.V.m. Art. 3 Bst. d Ziff. 2 MWSTG). Der Werkersteller überwälzt die MWST auf den Grundeigentümer.

Beispiel

Die Eheleute Fischer sind Eigentümer einer Baulandparzelle. Sie beauftragen die GU AG, darauf ein schlüsselfertiges Einfamilienhaus zu erstellen. Der Preis für das Haus beträgt exkl. MWST CHF 1 Mio.

Die GU AG erbringt eine der MWST unterliegende werkvertragliche Lieferung. Sie hat auf dem Werkpreis von CHF 1 Mio. 8% MWST zu erheben und auf die Eheleute Fischer zu überwälzen. Die Eheleute Fischer haben für das Haus CHF 1’080’000 zu bezahlen (CHF 1 Mio. + CHF 80’000 [8% MWST von CHF 1 Mio.]). Bei ihnen resultiert eine Steuerbelastung von CHF 80’000. Die GU AG kann die MWST, welche sie ihren Lieferanten zu bezahlen hat, in ihren MWST-Abrechnungen als Vorsteuern in Abzug bringen.

3. Verkäufer überbaut das verkaufte Grundstück

Abgrenzungsprobleme zwischen einem von der Steuer ausgenommenen Grundstücksverkauf (vgl. Ziffer 1. hiervor) und einer der MWST unterliegenden werkvertraglichen Lieferung (vgl. Ziffer 2. hiervor) ergeben sich dann, wenn ein Verkäufer nicht nur das Grundstück verkauft, sondern dieses auch überbaut. Das ist insbesondere beim Verkauf von neu erstellten Eigentumswohnungen (Stockwerkeigentum) oder einem schlüsselfertigen Einfamilienhaus samt Land der Fall.

Unterschiedliche Steuerfolgen

Ein ausgenommener Grundstücksverkauf löst keine MWST aus. Aus diesem Grund kann der Verkäufer die MWST, die seine Lieferanten auf dem Bau erheben und auf ihn überwälzen, nicht als Vorsteuern in Abzug bringen (vgl. auch Ziffer 1. hiervor). Der Verkäufer wird die MWST bei seiner Kalkulation als Aufwand miteinbeziehen und (nicht offen, sondern verdeckt) über den Kaufpreis der Käuferschaft weiterbelasten. Auf dem Gewinn bzw. der Marge des Verkäufers fallen hingegen keine MWST an.

Demgegenüber hat der Verkäufer bei der werkvertraglichen Lieferung auf dem gesamten Preis der Gebäude (nicht aber auf dem Landanteil) MWST zu erheben und offen auf die Käuferschaft zu überwälzen. Die 8% MWST fallen auch auf dem Gewinn bzw. der Marge des Verkäufers an.

Alte Praxis

Zu dieser Abgrenzung hat die ESTV im Jahr 2010 erstmals eine Praxis publiziert und später präzisiert (vgl. die MWST-Übergangsinfo 01, Ziffer 2.5.3.2, und die Branchen-Info 04, Baugewerbe, Ziffer 8.1.1). Danach fallen nur dann keine MWST an, wenn die folgenden Voraussetzungen erfüllt werden:

  1. Der Käufer erwirbt ein fertig geplantes Objekt. Änderungen aufgrund von individuellen Käuferwünschen sind nur unschädlich, sofern die dadurch verursachten Mehrkosten weniger als 5% des Pauschalpreises betragen.
  2. Der Käufer hat einen Pauschalpreis für Boden und Gebäude zu bezahlen.
  3. Der Käufer kann keinen Einfluss nehmen auf den Bau, die Ausgestaltung des Gebäudes und die Handwerker.
  4. Es wird nur ein Vertrag abgeschlossen.
  5. Nutzen und Schaden gehen erst nach der Fertigstellung des Baus auf den Käufer über.
  6. Die Bezahlung erfolgt erst nach Fertigstellung des Baus, wobei eine Anzahlung bis 30% des Kaufpreises akzeptiert wird.

Ist nur eine dieser sechs Voraussetzungen nicht erfüllt, liegt nach der alten Praxis eine werkvertragliche Lieferung vor und hat der Verkäufer auf dem Wert des Gebäudes (inkl. dem Gewinn, den er erzielt) 8% MWST zu erheben. Insbesondere die 5%-Klausel war vom Verkäufer nur schwer überprüfbar und einhaltbar.

Neue Praxis

Die alte Praxis wurde heftig kritisiert. Aus diesem Grund hat die ESTV eine Praxisänderung beschlossen. Die neue Praxis ist in der MWST-Praxis-Info 05, Änderung und Präzisierung zur MWST-Branchen-Info 04, Baugewerbe, publiziert.

Nach der neuen Praxis ist nur massgebend, ob der Kaufvertrag vor oder nach dem Baubeginn abgeschlossen wird:

  • Findet der Abschluss des Kaufvertrages für das Grundstück vor Baubeginn statt, liegt eine MWST-pflichtige Lieferung vor.
  • Wird der Kaufvertrag hingegen nach Baubeginn abgeschlossen, liegt eine von der Steuer ausgenommene Immobilienlieferung vor.

Massgebend ist das Datum der öffentlichen Beurkundung des Kaufvertrages. Öffentlich beurkundete Vorverträge sind den Kaufverträgen gleichgestellt. Vorverträge mit Reservierungszahlungen, die nicht öffentlich beurkundet werden, sind bei der Beurteilung nicht miteinzubeziehen und unbeachtlich.

Als Baubeginn gilt bei Neubauten im Allgemeinen der Beginn der Aushubarbeiten, sofern im Anschluss an den Aushub mit der Erstellung der Neubauten begonnen wird. Nicht als Baubeginn gelten die Vorbereitungsarbeiten wie etwa Planungsarbeiten, das Errichten von Bauprofilen oder Rodungsarbeiten.

Der Baubeginn wird immer pro Bauwerk bestimmt. Damit sind ganze Bauwerke gemeint wie Einfamilienhäuser, Doppeleinfamilienhäuser oder Mehrfamilienhäuser.

Ist ein Grundstück bzw. Bauwerk in mehrere selbständige Objekte aufgeteilt (z. B. in Stockwerkeinheiten und Autoabstellplätze), ist die mehrwertsteuerliche Qualifikation für jedes Objekt gesondert vorzunehmen. Es ist für jedes Objekt festzulegen, ob der Verkauf dieses Objektes (Datum der öffentlichen Beurkundung) vor oder nach dem Baubeginn des Bauwerkes erfolgt ist.

Beispiel

Die GU AG ist Eigentümerin einer Baulandparzelle. Sie wird darauf ein Mehrfamilienhaus mit Eigentumswohnungen (Stockwerkeigentum) errichten. Der Baubeginn für das Mehrfamilienhaus findet am 5. August 2013 statt.

a) Am 22. Juli 2013 (Datum der öffentlichen Beurkundung) verkauft die GU AG eine Eigentumswohnung an die Eheleute Knecht.

Der Verkauf der Wohnung an die Eheleute Knecht erfolgt vor dem Baubeginn des Mehrfamilienhauses. Der Verkauf der Wohnung wird als eine der MWST unterliegende werkvertragliche Lieferung qualifiziert.

Die GU AG hat auf dem Preis der Wohnung (inkl. dem Gewinn, den sie erzielt, aber ohne den Wert des Landanteils) 8% MWST zu erheben und auf die Eheleute Knecht zu überwälzen. Bei den Eheleuten Knecht resultiert eine entsprechende Steuerbelastung. Die GU AG kann die MWST, welche die Handwerker ihr belasten, als Vorsteuern in Abzug bringen.

b) Am 10. September 2013 (Datum der öffentlichen Beurkundung) verkauft die GU AG eine Eigentumswohnung an die Eheleute Müller.

Der Verkauf der Wohnung an die Eheleute Müller findet nach Baubeginn statt. Massgebend ist der Baubeginn des Mehrfamilienhauses (nicht der Arbeiten an der Eigentumswohnung der Eheleute Müller). Der Verkauf führt zu einem von der MWST ausgenommenen Umsatz. Die Eheleute Müller müssen darauf keine MWST bezahlen. Die GU AG ihrerseits kann die MWST, welche die Handwerker ihr belasten, nicht als Vorsteuern in Abzug bringen. Sie wird diese MWST in ihrer Preiskalkulation berücksichtigen.

Zu beachten ist, dass die Steuerbehörden den Landverkäufer (Drittperson) und den Bauunternehmer, der die Überbauung erstellt, als Einheit bzw. als eine Person behandeln, wenn sie miteinander verbunden sind (vgl. Art. 3 Bst. h MWSTG).

Beispiel

Der Alleinaktionär der GU AG ist Eigentümer einer Baulandparzelle. Die GU AG wird darauf ein Einfamilienhaus errichten. Am 15. August 2013 (Datum der öffentlichen Beurkundung) verkauft der Aktionär das Grundstück an die Eheleute Keller. Am 30. August 2013 schliesst die GU AG mit den Eheleuten Keller einen Werkvertrag für den Bau des Einfamilienhauses ab. Der Baubeginn hat am 2. August 2013 stattgefunden.

Der Alleinaktionär und die GU AG gelten als verbundene Personen. Sie werden als Einheit behandelt, wie wenn die GU AG die Grundeigentümerin wäre. Der Kaufvertrag für das Grundstück wird nach Baubeginn abgeschlossen. Die GU AG hat den Verkauf des Einfamilienhauses als von der Steuer ausgenommenen Umsatz zu deklarieren. Bei den Eheleuten Keller sind keine MWST zu erheben. Die GU AG kann die ihr auf den Baukosten belasteten MWST nicht als Vorsteuern in Abzug bringen.

Die neue Praxis gilt für Bauwerke mit Baubeginn ab 1. Juli 2013. Die Steuerpflichtigen können sie aber freiwillig auch für Bauwerke anwenden, deren Baubeginn zwischen dem 1. Januar 2010 und dem 30. Juni 2013 liegt. Unter bestimmten Voraussetzungen können sie auf ihre MWST-Abrechnungen zurückkommen und Korrekturabrechnungen einreichen.

Die neue Praxis ist deutlich einfacher und transparenter als die bisherige. Sie gibt den Parteien zudem die Möglichkeit, mit dem Zeitpunkt des Vertragsabschlusses (vor oder nach Baubeginn) direkt zu beeinflussen, ob die Käuferschaft auf dem Gewinn des Verkäufers 8% MWST bezahlen muss oder nicht. Beim Grundstücksverkauf ist beiden Vertragsparteien zu empfehlen, sich über die Mehrwertsteuerfolgen zu informieren. Die Verträge sollten jedenfalls so ausgestaltet sein, dass sie der Mehrwertsteuer Rechnung tragen.

VOSER RECHTSANWÄLTE

Dr. Philip Funk

Dieter Egloff

Barbara Sramek

Monique Schnell

Fernando Garcia

Die Autorinnen und Autoren dieses Beitrags:

Dr. Philip
Funk
Rechtsanwalt, Notar, eidg. dipl. Steuerexperte
+41 56 203 15 40
p.funk@voser.ch
lic. iur Dieter
Egloff
Rechtsanwalt, eidg. dipl. Steuerexperte
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lic. iur. Barbara
Sramek
Rechtsanwältin, eidg. dipl. Steuerexpertin
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